David Voggeser: Mit Blick auf die Mitarbeiterbeteiligung betonen wir in Deutschland noch zu sehr Verlustszenarien anstatt der Chancen. In unserer Beratungspraxis erleben wir immer wieder die generelle Bereitschaft von Verantwortlichen in Unternehmen, mit Mitarbeiterbeteiligung etwas für den individuellen Vermögensaufbau von Mitarbeitern zu tun. Aber in der Umsetzung tun sich Arbeitgeber dann oft schwer, gerade mit der Berücksichtigung von Rahmenbedingungen oder der Kalkulation von Renditen. Mit unserem neu entwickelten Rendite-Dreieck Mitarbeiteraktien schaffen wir genau in diesen Punkten Transparenz und reduzieren so Hemmschwellen.
Florian Hauser: Das Rendite-Dreieck Mitarbeiteraktien ist ein Tool, das Arbeitgebern wie Arbeitnehmern börsennotierter Unternehmen – wie auch allen sonstigen Interessenten – Einsichten in tatsächliche und mögliche Renditen von Mitarbeiteraktien eines Unternehmens oder eines Index verschafft. Angelehnt an die Rendite-Dreiecke des Deutschen Aktieninstituts ermöglicht es die Simulation unterschiedlicher Parameter wie steuerliche Freibeträge und Discount- oder Matching-Regeln über verschiedene Zeiträume Unternehmen können so maßgeschneiderte Beteiligungspläne konzipieren und Mitarbeiter die Entwicklung ihrer Aktien aus diesen Programmen einfach nachverfolgen.
Ist die von Ihnen angesprochene fehlende Transparenz bzw. Kenntnis die Ursache für eine doch eher gering ausgeprägte kapitalbasierte Mitarbeiterbeteiligung in Deutschland?
Florian Hauser: Sie ist ein Grund dafür. Ein weiterer sind die in Deutschland geltenden Rahmenbedingungen. Bei einem steuerlichen Freibetrag von 360 Euro im Jahr kann kaum von einer wirklichen Förderung von Mitarbeiteraktien gesprochen werden. Andere Länder agieren wesentlich gezielter, um den Aufbau von individuellen Vermögen über Kapitalbeteiligung zu fördern.
Wahrscheinlich Länder aus dem angelsächsischen Raum mit einer starken Aktienkultur?
Florian Hauser: Großbritannien stellt Mitarbeitern den Erwerb von Aktien des eigenen Unternehmens bis zu 3.500 Euro steuerlich frei, Spanien und Irland sogar bis zu 12.000 Euro. Selbst Österreich – bislang nicht als Hochburg der Aktienkultur bekannt – gewährt einen steuerlichen Freibetrag auf den Erwerb von Mitarbeiteraktien in Höhe von 4.500 Euro.
Spiegelt sich die geringe Förderung in Deutschland in der Rendite von Mitarbeiteraktienprogrammen und auch in den Teilnahmeraten von Mitarbeitern an entsprechenden Angeboten ihrer Arbeitgeber wider?
David Voggeser: Auf Basis unseres Tools lässt sich zeigen, dass eine Erhöhung des steuerlichen Freibetrags in Deutschland schon auf 1.000 Euro einen deutlich größeren Spielraum für die Gestaltung attraktiver Mitarbeiteraktienprogramme bietet. Bei einem Matching-Verhältnis von 2 zu 1 – der Mitarbeiter erhält also für zwei gekaufte Aktien eine dritte kostenlos vom Arbeitgeber – führt die Erhöhung des steuer- und abgabenfreien Betrags von 360 Euro auf 1.000 Euro über einen zehnjährigen Anlagezeitraum zu einer Renditeerhöhung um fast zehn Prozentpunkte!
Florian Hauser: Rendite, sprich Attraktivität, und Teilnahme an Mitarbeiteraktienprogrammen hängen natürlich zusammen. Aber angesichts einer eher gering ausgeprägten Aktienkultur in Deutschland müssen Arbeitgeber generell erheblich in die Kommunikation entsprechender Programme investieren. Unternehmen vermitteln dabei Kenntnisse und Werte, die in unserem Bildungssystem zu kurz kommen. Das Wissen rund um Aktien und den Umgang mit Börsenvorgängen ist in Deutschland deutlich geringer ausgeprägt als in anderen führenden Wirtschaftsnationen.
Was sind Ursachen für die so unverständlich zurückhaltende Förderung von Mitarbeiterbeteiligung in Deutschland?
David Voggeser: Das Problem ist vielschichtig. Eine zentrale Ursache ist die in der deutschen Kultur herrschende Angst vor Risiko. Vor allem Politiker sehen für Arbeitnehmer oft allein den potenziellen Totalverlust der Investitionen in Aktien des eigenen Unternehmens. Diese Sicht erstickt aber jede Chance auf einen angemessenen Vermögensaufbau im Keim. Es kann schlicht nicht alles abgesichert werden – so viel Ehrlichkeit muss sein. Und mit unserer Auswertung können wir faktenbasiert aufzeigen, wie hoch die Chancen auf positive Rendite sind- in Relation zum Risiko nämlich deutlich höher als ein vergleichbares Risiko. Wir freuen uns aber insbesondere, dass Gewerkschaften in letzter Zeit vermehrt die positiven Seiten von Mitarbeiteraktien betonen.
David Voggeser: Letztlich ist doch jede Entscheidung mit einem Risiko verbunden, so auch in der aktienbasierten Mitarbeiterbeteiligung. Das muss endlich klar angesprochen werden. Totale Sicherheit heißt null Rendite! Hier gilt es, eine ausgewogenere Sicht zu etablieren, die Risiken wie Chancen gleichermaßen berücksichtigt.
Florian Hauser: Gerade in der Mitarbeiterbeteiligung wird das Risiko von Vermögensverlust durch die Arbeitgeber stark abgefedert, sei es über Rabatte beim Aktienkauf oder Matching-Aktien. Allerdings halten wir auch einen speziellen Fonds für Totalausfälle als letzten Sicherungsmechanismus in der Mitarbeiterbeteiligung für vorstellbar – ähnlich wie in der betrieblichen Altersversorgung mit dem Pensionsversicherungsverein.
Wie sehen Sie die Chancen auf einen Erfolg oder zumindest auf erste Verbesserungen bei den Rahmenbedingungen?
Florian Hauser: Mit unseren Forderungen sind wir nicht allein. Wir streiten an der Seite von Unternehmen wie Siemens, mit Verbänden wie der AGP oder bekannten Protagonisten wie dem Deutschen Aktieninstitut. In unserem Wirken setzen wir auf den regelmäßigen Austausch mit der Politik und allen relevanten Beteiligten, zum Beispiel im Rahmen des Tag der Teilhabe, der 2019 in einer Neuauflage wieder durchgeführt wird. Einen ersten Erfolg dieses gemeinsamen Hinwirkens sehen wir in der geplanten Erhöhung der Steuerfreibeträge für Mitarbeiterbeteiligung in Start-Ups.
David Voggeser: Die Mitarbeiteraktie ist ein wichtiger Beitrag für die individuelle Altersversorgung wie auch zur Aktienkultur in Deutschland insgesamt. Es ist wichtig, dass die breite Bevölkerung von den Erfolgen unserer Wirtschaft profitiert. Wir brauchen wirksame Wege, Aktien im langfristigen Vermögensaufbau zu stärken.