Ein Gespräch von Kai Anderson, Partner Strategic People Advisory bei Mercer, mit Inga Dransfeld-Haase, Präsidentin des Bundesverbands der Personalmanager BPM, zu den Anforderungen an HR in einer aktuell herausfordernden Gemengelage und zur Rolle des Personalmanagements in der Zukunft.

Kai Anderson: Inga, danke, dass du dir die Zeit nimmst. Was beschäftigt gerade die HR-Welt und Unternehmen besonders?

Inga Dransfeld-Haase: Transformation ist das beherrschende Thema – und das in jeder Hinsicht. Es geht um die Frage, wie wir Talente halten und gleichzeitig neue Fähigkeiten aufbauen, während alte Strukturen abgebaut werden. Die große Herausforderung ist: Wo wird die Arbeit in Zukunft erledigt werden: im Inland, in Europa oder außerhalb? Dabei spielt auch die Verlagerung repetitiver Aufgaben in Länder mit geringeren Arbeitskosten eine Rolle, während hochqualifizierte Tätigkeiten oft im Land bleiben.

Kai Anderson: Interessant. Sehen wir auch schon Unternehmensabwanderungen oder Schließungen?

Inga Dransfeld-Haase: Ja, wir sehen Verlagerungen. Aber es geht oft nicht nur um ganze Standorte, sondern um die grundsätzliche Frage: Welche Aufgaben bleiben hier, und was kann ausgelagert werden? Gleichzeitig gewinnen Themen wie Generative Künstliche Intelligenz (KI) mit rasanter Geschwindigkeit an Bedeutung, um Betriebsabläufe zu optimieren, Prozesse effizienter zu gestalten oder den Energieverbrauch zu reduzieren und dabei geringere Kosten, eine höhere Produktivität und an höheres Maß an Nachaltigkeit zu erzielen.

Kai Anderson: Also stehen Unternehmen vor der Frage: Outsourcing oder Automatisierung durch KI?

Inga Dransfeld-Haase: Genau, und dazu kommt der Fachkräftemangel. Unternehmen überlegen, wie sie Geschäftsmodelle weniger menschenintensiv gestalten können. Wir sehen das schon im Einzelhandel und in der Gastronomie, wo Kunden sich oft selbst bedienen müssen. Diese Entwicklungen sind Reaktionen auf den Fachkräftemangel, der noch weiter zunehmen wird, besonders durch die bevorstehende „Rentenwelle der Babyboomer“.

Kai Anderson: Absolut, das erleben wir auch. Gleichzeitig haben wir in den letzten Jahren viel über Nearshoring gesprochen, besonders seit die globalen Lieferketten ins Wanken geraten sind. Müssen wir nicht verstärkt wieder auf nahgelegene Standorte setzen?

Inga Dransfeld-Haase: Ja, aber nicht ausschließlich. Es geht vor allem darum, Risiken zu minimieren. Unternehmen prüfen genauer, wo sie ihre Lieferketten absichern können, etwa in weniger geopolitisch riskanten Regionen. Doch der Kostendruck bleibt, insbesondere durch die hohen Energiekosten in Europa und zu viel Bürokratie.

Kai Anderson: Und wenn wir KI ins Spiel bringen: Werden wir dann noch Callcenter oder ausgelagerte HR-Dienstleistungen brauchen?

Inga Dransfeld-Haase: Wahrscheinlich nicht in dem bisherigen Ausmaß. KI kann vieles übernehmen, vor allem in Bereichen wie Recruiting oder Kundenbetreuung, wo es um Massentätigkeiten geht. Natürlich wird es weiterhin spezialisierte Bereiche geben, aber Routineaufgaben können KI-Tools deutlich effizienter bewältigen. Dadurch entsteht Raum für strategische Aufgaben.

Kai Anderson: Das führt uns zu einem spannenden Punkt. Wenn so viele Prozesse automatisiert werden können, brauchen wir dann überhaupt noch Shared Service Center? Oder bleibt HR künftig nur noch aus zwei Säulen bestehen: strategische Beratung und Automatisierung?

Inga Dransfeld-Haase: Ich glaube, dass es noch eine dritte Säule geben wird. Vieles wird durch First-Level-Support abgedeckt, wie einfache Arbeitzeitänderungen oder Anträge. Schwierige, rechtlich komplexe Fälle brauchen - zumindest für eine gewisse Zeit - weiterhin Menschen, die diese Themen, Prozesse und Gesetze verstehen. Doch wenn wir Routineaufgaben automatisieren, haben wir mehr Zeit für die wirklich wertschöpfenden Aufgaben.

Kai Anderson: Ja, viele HR Business Partner arbeiten noch bis zu 40 Prozent administrativ. Das ist nicht der Sinn ihrer Rolle.

Inga Dransfeld-Haase: Genau, und hier müssen wir klarer kommunizieren und handeln: Die Rolle des HR Business Partners sollte strategisch sein. Dienstwagenbestellungen oder Teilzeitanträge sollten automatisiert werden, in den Self-Service gehen oder durch Chatbots bearbeitet werden. HR muss sich auf die wirklich wichtigen, strategischen Aufgaben konzentrieren, wie zum Beispiel die Personalplanung oder die Weiterentwicklung von Führungskräften und Talenten.

Kai Anderson: Also muss HR sich radikal wandeln, um nicht irrelevant zu werden?

Inga Dransfeld-Haase: Absolut. Wenn HR datenbasiert arbeitet und sich auf strategische Themen fokussiert, wird es in Zukunft eine unverzichtbare Rolle spielen. Aber wir müssen uns von den administrativen Ballastaufgaben lösen und mehr mit KI arbeiten, um das Potenzial voll auszuschöpfen.

Kai Anderson: Das bringt mich zur Frage: Warum war HR bisher so zurückhaltend, was den Einsatz von Technologie betrifft? Wir sind doch oft eher Nachzügler, oder?

Inga Dransfeld-Haase: Ja, das stimmt. Aber die digitale Transformation holt uns ein. Wir müssen erkennen, dass KI nicht nur administrative Prozesse verändert, sondern die ganze Organisation. Es geht darum, Zukunftsszenarien zu entwickeln und zu verstehen, was KI für HR und das Unternehmen insgesamt bedeuten könnte. Hier ist noch viel Luft nach oben, die Veränderungen kommen schneller als allgemein gedacht und wir müssen die Technologie verstehen.

Kai Anderson: Stimmt. Gleichzeitig haben wir in Deutschland oft den Ruf, zu vorsichtig zu sein, besonders wenn es um Themen wie Datenschutz geht. Wie schaffen wir den Spagat zwischen Datenschutz und Innovation?

Inga Dransfeld-Haase: Datenschutz ist wichtig, aber wir müssen mutig genug sein, Innovationen zuzulassen. Wir brauchen klare Regelungen, die Innovation nicht behindern, sondern ermöglichen. Wenn wir zu zögerlich sind, verlieren wir international den Anschluss. Unternehmen in anderen Ländern setzen viel entschlossener auf KI und digitale Lösungen.

Kai Anderson: Sehen wir genug Bewegung in der deutschen HR-Landschaft?

Inga Dransfeld-Haase: Es passiert etwas, aber es ist noch nicht genug. Wir brauchen mehr Experimentierfreude und eine Kultur des Ausprobierens. Die Transformation gelingt nur, wenn wir mutig sind und uns auf neue Technologien einlassen.

Kai Anderson: Das sehe ich genauso. Es sind die Unternehmensleitungen, die diese Transformation vorantreiben müssen, und HR sollte dabei eine Schlüsselrolle spielen. Ohne CEOs und CHROs im Tandem wird das nicht gelingen.

Inga Dransfeld-Haase: Richtig! Es braucht starke Führung und eine klare Vision, wie die Zukunft aussieht. Wenn wir das schaffen, wird HR nicht nur bestehen, sondern eine zentrale Rolle in der Unternehmensstrategie spielen.

Kai Anderson: Also liegt es an uns, den Wandel mitzugestalten. HR muss laut genug sein, um gehört zu werden.

Inga Dransfeld-Haase: Wir müssen uns Gehör verschaffen und mutig die Zukunft gestalten. Nur so bleiben wir relevant und können Unternehmen in die richtige Richtung führen.

Kai Anderson: Ein starkes Schlusswort, Inga. Danke für das spannende Gespräch!

* Photo: Possessed Photography | Unsplash
Author Kai Anderson

You would like to know more about this topic?

Arrange a (telephone) appointment with Kai Anderson