Zu den Herausforderungen in der Ausgestaltung von Vertriebsvergütungssystemen und insbesondere zur Einbindung von harten und weichen Vertriebszielen sprach hkp.com mit den hkp/// group Experten David Voggeser und Joachim Kayser.
Was unterscheidet harte von weichen Zielen im Vertrieb?
David Voggeser : Weiche Ziele werden eingesetzt, um Vertriebsmitarbeitern aufzuzeigen, wie sie arbeiten sollten, um den eigentlichen Vertriebserfolg zu erzielen. Mitarbeiter sollen wissen, welches Vorgehen sinnvoll ist.
Joachim Kayser: Harte Ziele sind dagegen das Rückgrat des Vertriebserfolgs und in jedem Fall klar messbar. Als Beispiele seien hier angeführt Umsatz, Deckungsbeitrag, Auftragseingang, Anzahl Neukunden, Wiederholungskäufe etc.
Häufig wird angeführt, dass weiche Ziele dort tatsächlich Vertriebserfolg widerspiegeln, wo Kaufentscheidungsprozesse sehr langwierig sind
Joachim Kayser: Das ist in der Tat so. Beispiele dafür sind Entscheidungen zum Bau von Großanlagen wie Kraftwerken, Ölbohrplattformen oder Raffinerien. Tatsächlich kann in diesem Fall die Honorierung von Zwischenzielen sinnvoll sein.
Sind weiche Ziele eine unabdingbare Voraussetzung, um die entsprechenden harten Ziele zu erreichen? Welche Erfahrung haben Sie in ihren Beratungsprojekten gemacht?
David Voggeser : Viele Unternehmen definieren und incentivieren Vertriebserfolg im Sinne von abgesetzter Stückzahl, erzieltem Umsatz etc. Um diese einseitige Sicht in eine neue Balance zu bringen, implementieren sie häufig auch weiche Ziele. Das ist auch sinnvoll. Neben dem „Was“ muss auch das „Wie“ der Verkaufsaktivitäten berücksichtigt werden.
Joachim Kayser: Aber es braucht ein Balance, und diese Balance ist nicht nur industrie- oder produktgruppenspezifisch, sondern fällt auch von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich aus. Es ist niemandem genutzt, wenn die weichen Ziele erreicht werden, aber Umsatz und Gewinn rückläufig sind.
In der Tat erscheint die Incentivierung von nicht-geldwirksamen Vorgaben als gravierendster Nachteil von weichen Zielen …
David Voggeser : Häufig wird Geld für Ziele ausgegeben, die dem Unternehmen nicht unmittelbar weiterhelfen. Im Vertrieb kommt es aber auf den finalen Vertriebserfolg an, in der Regel den profitablen Absatz von Produkten und Dienstleistungen. Werden weiche Ziele monetär incentiviert, kommt es im Zweifel zu hohen Vertriebskosten, ohne dass Umsatzvolumen realisiert wurde.
Joachim Kayser: Im Vergütungssystem sollten nur die wichtigsten Ziele verankert werden. Dem Unternehmen bringt es nichts, wenn Vertriebsmitarbeiter beispielsweise für die über den Erwartungen liegende Anzahl an Kundenbesuchen belohnt, die Produkte des Unternehmens aber letztlich nicht verkauft werden.
Sie sehen also ein Primat der harten gegenüber weichen Vertriebszielen?
Joachim Kayser: Letztlich ja. Vertrieb ist ja kein Selbstzweck, sondern muss wie viele andere Unternehmensbereiche sicherstellen, dass die Unternehmensziele erreicht werden. Aber es geht auch nicht ohne die weichen Ziele…
David Voggeser: … die häufig eine Vorstufe zum finalen Vertriebserfolg sind: Wer viele Kunden besucht, erhöht die Wahrscheinlichkeit, mit einem neuen Auftrag zurückzukommen. Wer seine Kollegen gut einbindet, legt den Grundstein für den Erfolg seines Teams etc.
Vielfach wird aber weichen Zielen, die im Vertriebsvergütungssystem verankert sind, mit Skepsis begegnet.
David Voggeser: Diese Skepsis kennen wir aus unseren Projekten. Was sich dort aber immer wieder als Ursache zeigt, ist, dass weiche Ziele verwendet werden, um Vertriebsmitarbeitern aufzuzeigen, wie sie arbeiten sollten. Es wird also Führung mit Steuerung verwechselt – und das kann nicht gut gehen.
Bitte erläutern Sie das etwas eingehender.
David Voggeser: Jeder gute Vertriebsmitarbeiter weiß selbst am besten, wie er agieren muss, um zum Erfolg zu gelangen. Sofern die individuellen Ziele erfüllt und dafür zum Beispiel Kundenbesuche auf ein Minimum reduziert werden, sollten Mitarbeiter nicht dazu verpflichtet sein, eine bestimmte Anzahl an Kunden zu besuchen, nur damit Vergütungsansprüche erworben werden.t
Sondern…, was ist zu tun?
Joachim Kayser: Wenn ein Mitarbeiter seine harten Vertriebsziele nicht erreicht, ist die Führungskraft als Coach gefragt. Sie führt mit weichen Zielen – das Vertriebsvergütungssystem kann diese Aufgabe nicht übernehmen, es belohnt harten Vertriebserfolg!
David Voggeser Und wenn ein Mitarbeiter die finalen Vertriebsziele dauerhaft nicht erreicht, stellt sich eher die Frage, ob dessen Stärken nicht außerhalb des Vertriebs liegen. Ein solches Problem ist nicht über das Vergütungssystem zu lösen.
Ein häufig anzutreffendes Argument pro weiche Ziele im Rahmen des Vertriebsvergütungssystems läuft darauf hinaus, unerwünschtes Verhalten finanziell zu sanktionieren…
Joachim Kayser: Bei unerwünschtem Verhalten, sofern es nicht unmittelbar und erkennbar schädlich für das Unternehmen ist, ist einzig und allein die Führungskraft gefragt. Nicht tolerierbares Verhalten muss im Extremum disziplinarisch behandelt werden, sei es über eskalierende Gespräche, Abmahnung, ausgesetzte Vergütungserhöhung bis hin zur Trennung.
Was empfehlen Sie?
David Voggeser: Anstatt Geld für die Erreichung weicher Ziele auszugeben, sollte das Geld effizient eingesetzt werden: Zum einen zur Schulung der Führungskräfte im Vertrieb, zum anderen für erfolgreiche Vertriebsmitarbeiter, die ihre harten Ziele erreichen.
Abschließend noch ein Blick auf das Thema Nachhaltigkeit. Gerade im Vertrieb ist dies ein immer wieder intensiv diskutiertes Thema…
Joachim Kayser: Zurecht! Vertrieb muss im Hinblick auf Kundenzufriedenheit und -bindung nachhaltig gestaltet sein und darf Compliance-Richtlinien des Unternehmens nicht verletzen. Daher darf Vergütung nicht nur kurz springen, sondern sollte – wo angebracht und möglich – auch die Langfristperspektive im Auge haben.
Aber sind nicht gerade hierfür die oben diskutierten weichen Ziele von Bedeutung?
Joachim Kayser: Ja und Nein. Kundenzufriedenheit, Weiterempfehlungen, Wiederkaufraten etc. sind wichtige Indikatoren für langfristigen Vertriebserfolg. Aber sie müssen nicht notwendig Eingang in ein Vertriebsvergütungssystem finden. Sie können hingegen wichtige Kennzahlen des Steuerungscockpits im Vertrieb sein.
David Voggeser: Hier sind wir wieder bei dem Punkt, dass Vergütung nicht Führung ersetzen kann. Und gerade die weichen Vertriebsvorgaben sind über den Aspekt Führung abzudecken – aus den bereits erörterten Gründen. Vergütung kann Führung nur unterstützen. Gute Führung setzt Vergütung passgenau ein.
Herr Kayser, Herr Voggeser, vielen Dank für das Gespräch