Der globale Wettbewerb zwingt Unternehmen, schnell auf Veränderungen zu reagieren. Daher muss auch ihre organisationale Aufstellung eine flexible Reaktion auf Impulse von Kunden, Lieferanten und Wettwerbern ermöglichen. Viele Unternehmen schaffen daher Organisationsformen mit hohem Handlungsspielraum, wie flexible, cross-funktionale Projektteams und selbstorganisierte Schwärme, um eine bessere Anpassungsfähigkeit an das schnelllebige Marktumfeld zu gewährleisten.

Diese neuen, agilen Einheiten orientieren sich nicht an klassischen Hierarchien und fest definierten Rollen, denn die Aufgabenverteilung ist hier genauso dynamisch wie das Marktumfeld. Doch gerade wenn sich Verantwortlichkeiten im Unternehmen als Reaktion auf die dynamische Umwelt stetig verändern, müssen viele HR-Instrumente und -Prozesse angepasst werden. So können zum Beispiel traditionelle Funktionsbewertungssysteme, die von einem eher statischen Organisationsaufbau ausgehen, agile Arbeitsmodelle mit häufig wechselnden Rollen oft nicht sinnvoll abbilden. Insbesondere bei analytischen Systemen mit einer hohen Anzahl von Bewertungsfaktoren, führen schon verhältnismäßig kleine Änderungen im Verantwortungsbereich einer Funktion zu einer abweichenden Funktionswertigkeit.

In agil aufgestellten Organisationen sind aber der durch häufige Modifikationen an Rollen und Verantwortlichkeiten bedingte Neu-Bewertungsaufwand wie auch häufig schwankenden Funktionswertigkeiten nicht tragbar. Zurecht fragen sich viele Entscheider daher, ob Funktionsbewertung nach bisherigem Muster überhaupt eine Zukunft hat.

Den Bedarf einer Funktionsbewertung wird es auch zukünftig geben. Denn selbst in dem dynamischsten Unternehmensumfeld müssen wichtige personal- und vergütungspolitische Prozesse wie eine marktgerechte Vergütung oder stringent ausgestaltete Talent- und Performance-Management-Prozesse vorhanden sein. Dafür – wie auch für viele weitere Personalmanagement-relevante Prozesse und Instrumente – bleibt die Funktionsbewertung wichtiger Bestandteil. Allerdings ist ihre traditionelle Ausgestaltung grundlegend zu überdenken.

Mögliche Gestaltungsansätze

Um den in agilen Organisationen häufigeren Änderungen bei Verantwortlichkeiten, Tätigkeiten sowie Rollen eines Mitarbeiters und den damit ausgelösten Neubewertungen in Umfang und Reaktionszeit gerecht werden zu können, braucht es Bewertungsmodelle, die eine höhere Flexibilität als traditionelle Herangehensweisen bieten. Dies kann letztlich nur über einen ganzheitlichen oder summarischen Bewertungsansatz sichergestellt werden.

Bei diesem Bewertungsansatz werden die Anforderungen an eine Funktion als Ganzes betrachtet, ohne sich in der Bewertung von – zum Teil übergewichteten, mehrfach bewerteten und pseudowissenschaftlich quantifizierten – Einzelkriterien zu verlieren. Damit sind bei Änderungen des organisationalen Umfelds grundsätzlich keine Re-Definition der Bewertungskriterien und somit keine Neu-Bewertungen erforderlich.

Zudem kann es sinnvoll sein, den Mitarbeiter in den Fokus der Bewertung zu rücken. Während in traditionellen Funktionsbewertungssystemen typischerweise die Funktion und nicht die Person betrachtet wird, ist in kleinen und dynamischen Einheiten ohne klar definierte Funktionen ein Fokus auf die Funktion nicht zielführend.

Auch verlieren typische Anforderungs- oder Tätigkeitsprofile als Referenzpunkt für die Bewertung an Bedeutung. Da keine klaren und über die Zeit konstanten Anforderungs- oder Tätigkeitsprofile für die Bewertung zugrunde gelegt werden können, führt dies zu einer Abkehr von klassischen Bewertungsfaktoren, deren Ausprägungen oft durch die Anforderungen bzw. Tätigkeiten einer Funktion auf einer bestimmten Karrierestufe definiert sind.

Stattdessen können in einem agilen Arbeitsumfeld gegebenenfalls die Kompetenzen eines Mitarbeiters zur Bewertung herangezogen werden. Das Unternehmen definiert in diesem Fall einen Katalog an Kompetenzen für die gesamte Organisation oder Teile davon und bewertet Mitarbeiter, je nachdem ob die von ihnen einheitlich definierten Kompetenzen vorhanden sind und wie diese in das Unternehmen eingebracht werden. In Organisationen mit starkem Wachstum, wo Beförderungen nicht von der Verfügbarkeit offener Stellen abhängig sind, können durch die Definition von Kompetenzniveaus sogar Karrierestufen definiert werden.
Werden die oben beschriebenen Grundsätze berücksichtigt, lassen sich vier Gestaltungsansätze für Funktionsbewertung in agilen Organisationen ableiten.

Ansatz 1 – Leitfrage
Der erste Gestaltungsansatz für Grading in agilen Organisationen zeichnet sich durch eine besonders hohe Flexibilität aus. Die Bewertung basiert weder auf klassischen Kriterien noch auf Kompetenzen, sondern wird anhand einer übergeordneten Leitfrage vorgenommen.

Ein Beispiel für eine solche Leitfrage ist „Wie groß ist der Beitrag des Mitarbeiters zum Erfolg der Organisation?“. Basierend auf dieser Frage werden die zu bewertenden Mitarbeiter summarisch in eine Rangfolge gebracht und anschließend Bewertungscluster gebildet: Mitarbeiter mit ähnlichem Beitrag zum Erfolg der Organisation werden in einer Gruppe/Ebene zusammengefasst.

Das Fokussieren auf die Bewertung von Personen und Funktionen und nicht ausschließlich – wie in der traditionellen Funktionsbewertung üblich – auf die Bewertung von Funktionen ermöglicht die Anwendung dieses Verfahrens auch in kleinen Unternehmen mit bis zu 100 Mitarbeitern ohne fest definierte Rollen bzw. Funktionen bei gleichzeitiger Ableitung von stabilen Einstufungsergebnissen.

Bei größeren Unternehmen kann die zuvor beschriebene Rangfolge auch basierend auf Funktionen gebildet werden, die dann jeweils eine Gruppe von Funktionsinhabern repräsentieren.

Abb. 1: Ansatz Leitfrage

 


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Autor Petra Knab-Hägele

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