Die Gewinnung von Fachkräften hat sich in den letzten Jahren zum erfolgskritischen Top-Thema entwickelt. Leon Jacob, Senior Manager der hkp/// group, erläutert die Hintergründe und das Potenzial Kandidaten-zentrierten Recruitings und illustriert am Beispiel hkp/// den Nutzen eines agilen Design-Ansatzes.
Warum ist Recruiting so ein wichtiges Thema?
Leon Jacob: Wie kaum ein zweites Thema hat Recruiting sehr direkten und sehr nachhaltigen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit von Unternehmen. Wenn es im Recruiting schlecht läuft, entgehen Umsätze und ziehen Fehleinstellungen hohe Folgekosten nach sich. Wer dagegen im War for Talent gewinnt, der stärkt Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit. Viele Unternehmen spüren, dass sie ihr Recruiting grundlegend neu ausrichten müssen, um aktuelle Schmerzpunkte wirksam zu beheben.
Es scheint, dass Unternehmen gerade beim Recruiting oft viel mutiger und kreativer agieren als in anderen HR-Prozessen. Wie ist das zu erklären?
Leon Jacob: Unternehmen sehen sich mit weniger Restriktionen und Risiken konfrontiert, wenn es um externe Kandidaten und nicht um die eigene Belegschaft geht. Vor allem aber hat sich durch den demographischen und den digitalen Wandel die Welt komplett gedreht: Jobs müssen Kandidaten finden und nicht mehr umgekehrt. Diese neue Welt verlangt neue Ansätze. Das spüren die Unternehmen. Und das spüren wir nicht zuletzt bei uns selbst, bei der hkp/// group.
Wie hat die hkp/// group auf die sich wandelnden Anforderungen im Recruiting reagiert?
Leon Jacob: Wir haben im eigenen Recruiting alles auf null gesetzt, nachdem klar war, dass mit dem bisherigen Vorgehen der Bedarf an klugen Köpfen nicht mehr gedeckt werden kann. Dazu haben wir mit unserer größten Zielgruppe, den Master-Absolventen, begonnen und einen konsequent Kandidaten-zentrierten Weg eingeschlagen. So wie wir auch Recruiting-Projekte mit unseren Kunden durchführen: Best Practice im Sinne von Blaupausen nutzen, aber einen eigenständigen, zum Unternehmen passenden Weg finden.
Wie sieht dieser eigenständige Weg für die hkp/// group aus?
Leon Jacob: Wir haben uns von klassischen Interviews komplett verabschiedet. Kandidaten können in digitaler Form zunächst selbst erfahren und reflektieren: Wie sieht Beratung bei hkp/// group aus? Ist es wirklich das, was mir Spaß macht und wo ich Erfolg haben werde? Passen meine Gehaltsvorstellungen? Es geht dann digital weiter: Über aufgezeichnete Video-Sequenzen lernt der Kandidat eine Reihe künftiger Kollegen kennen und kann deren Fragen – ebenfalls per Video – beantworten.
Wie wird diese Form der Kommunikation aufgenommen?
Leon Jacob: Nicht nur die Kandidaten lieben dieses effiziente und gleichzeitig sehr beziehungsorientierte Kennenlernen übers Smartphone. Auch unsere Führungskräfte sind begeistert. Im Nu gehen genügend Feedbacks ein, um über den nächsten Schritt zu entscheiden. Erst der letzte Schritt ist analog: In einer eintägigen hkp/// experience arbeitet der Kandidat mit künftigen Kollegen in unseren Räumlichkeiten zusammen und wird realitätsnah in die Projektarbeit eingebunden. Nicht nur die Kandidaten strahlen, wenn sie noch am selben Abend unterschriebene Arbeitsverträge erhalten.
Der neue Bewerbungsprozess ist seit fast einem Jahr implementiert. Was hat sich seitdem verändert?
Leon Jacob: Unsere Kandidaten-Pipeline hat sich quantitativ und qualitativ enorm entwickelt. Wir erhalten ein Vielfaches an Bewerbungen, können spürbar mehr Talente einstellen und alle Neuen sind weiterhin an Bord. Aber das liegt auch nur zum Teil am neuen Prozess, der sich unter Absolventen herumspricht.
Was gab zudem den Ausschlag für die positiven Entwicklungen?
Leon Jacob: Im Rahmen der Neuaufstellung unseres Recruitings fiel die Entscheidung, dass das Thema keines ist, das nebenbei geschultert werden kann. Spätestens bei Unternehmen unserer Größenordnung, also mit rund 25 bis 30 Neueinstellungen pro Jahr, braucht es eine auf die Personalgewinnung spezialisierte Kraft, die die Klaviatur der klassischen Maßnahmen wie auch der Social-Media-Kommunikation beherrscht. Und diese haben wir jetzt.
Sind Sie auch schneller geworden?
Leon Jacob: Speed ist im Wettbewerb um die besten Köpfe erfolgskritisch. Beschleunigend wirkt vor allem die digitale Ausgestaltung: Asynchrone Video-Interviews sind jederzeit durchführbar. Kandidaten hatten zuletzt in weniger als zwei Wochen nach ihrer Bewerbung ein Vertragsangebot in der Hand, trotz des intensiven Kennenlernens. Denn bei der Qualität der Auswahl machen wir keine Kompromisse – was im Übrigen auf die besten Talente geradezu magnetisch wirkt.
Also alles gut?
Leon Jacob: Gut, aber nicht perfekt. Wir sehen uns ganz bewusst in einem agilen Lern- und Optimierungsprozess, sind daher sehr schnell mit einem „Minimum Viable Product“ gestartet, also mit einer nicht perfekten Basislösung. Diese entwickeln wir nun auf Basis des Feedbacks von Kandidaten und internen Nutzern permanent und pragmatisch weiter. So haben wir die ursprünglich zweitägige hkp/// experience auf einen Tag verkürzt oder die Kommunikation mit Kandidaten so verändert, dass die Aufgeschlossenheit für Video-Interviews deutlich nach oben geschnellt ist.
Was konkret muss noch an größeren Aufgaben angegangen werden?
Leon Jacob: Wie gesagt, wir feilen fortlaufend an den Feinheiten. Aber wenn Sie nach größeren Aufgaben fragen: Unsere Video-Plattform muss technisch noch ins Recruiting-Tool integriert werden. Um schnell live zu gehen, haben wir dieses Manko zunächst gern in Kauf genommen.
Was geben Sie anderen Unternehmen, die ihr Recruiting optimieren wollen, mit? Was sind die drei wesentlichen Erfahrungen aus Ihrer Sicht?
Leon Jacob: Erstens: Recruiting grundlegend neu denken und die Kandidatenerfahrung in den Fokus rücken. Zweitens: Einen agilen Ansatz verfolgen, also schnell einen Protoypen testen, live schalten und auf Basis der Praxiserfahrungen weiterentwickeln. Drittens: Konsequent auf Digitalisierung setzen. Gerade wer digitale Profile anziehen will – und wer will das nicht? –, wird mit alten Werkzeugen und Verfahren keinen Erfolg haben.
Herr Jacob, vielen Dank für das Gespräch.