Glass Lewis hat die Proxy Voting Guidelines 2025 für Deutschland sowie Kontinentaleuropa veröffentlicht. Diese treten mit sofortiger Wirkung für die anstehenden Hauptversammlungen in Kraft. Die wesentlichsten Änderungen zum Thema Vergütung finden Sie nachstehend im Überblick.
Restricted Stock Pläne und „hybride” Plantypen ohne Leistungskriterien
Im Abschnitt zur Ausgestaltung der variablen Vergütung hat Glass Lewis Erläuterungen ergänzt, wie ein Wechsel des Plantyps der langfristigen variablen Vergütung insbesondere bei teilweiser oder vollständiger Abschaffung der Berücksichtigung von Leistungskriterien beurteilt wird. Dies betrifft beispielsweise den Wechsel zu einem Restricted Stock Plan, bei dem nur die Aktienkursentwicklung die finale Höhe der Vergütung bestimmt, oder die Umstellung auf einen „hybriden“ Plantyp, der an Leistungskriterien gebundene virtuelle Aktien (Performance Shares) mit Aktienoptionen oder Restricted Stock kombiniert.
Obwohl solche Änderungen grundsätzlich kritisch gesehen werden, prüft Glass Lewis fallweise und erkennt an, dass solche Pläne in bestimmten Fällen den spezifischen Anforderungen des Unternehmens an die Vorstandsvergütung entsprechen können. Dabei berücksichtigt Glass Lewis die spezifische und strategieabgeleitete Begründung des Aufsichtsrats sowie die Integration von „Schutzmechanismen“, die eine langfristige Gleichausrichtung der Interessen von Vorstand und Aktionären sicherstellen sollen. Dies umfasst unter anderem eine Sperrfrist von mindestens drei Jahren, zusätzliche Haltefristen nach Ablauf der Sperrfrist, die Berücksichtigung von Aktionärsanforderungen, zum Beispiel hinsichtlich der Verwässerung, und die Integration von so genannten „Underpins“, die als 0/1-Kriterium sicherstellen, dass bei schlechter Leistung des Vorstands oder bei einer Verschlechterung der Lage der Gesellschaft keine Auszahlung erfolgt.
Exzessive Ausgleichzahlungen
Hinsichtlich der Abstimmung über den Vergütungsbericht hat Glass Lewis klargestellt, dass die Absicht besteht, gegen Vergütungsberichte zu stimmen, wenn im Geschäftsjahr höhere Ausgleichszahlungen in bar an neue Vorstandsmitglieder geleistet wurden, die nicht an eine mehrjährige Tätigkeit für die Gesellschaft gebunden sind. Darüber hinaus muss eine detaillierte und überzeugende Begründung zu der geleisteten Zahlung gegeben werden. Hierzu zählen vor allem Zahlungen (Sign-On Boni), die entweder verfallende Vergütungen oder Leistungen des Vorarbeitgebers ausgleichen sollen oder der Akquisition des Kandidaten dienen.
Jegliche Form von Einmalzahlungen werden seit langem von Stimmrechtsberatern und Investoren kritisch analysiert und haben schon mehrfach zu kritischen Abstimmungsergebnissen beigetragen. In diesem Zusammenhang gilt es, eine gute Begründung für die getätigten Zahlungen darzulegen und den Bezug zum Unternehmensinteresse herzustellen.
Ausweis im Vergütungsbericht
In der letztjährigen Aktualisierung der länderspezifischen Proxy Voting Guidelines für Deutschland hat Glass Lewis mit Bezug auf den Vergütungsbericht nach § 162 AktG das Thema des individualisierten Ausweises der gewährten und geschuldeten Vergütung aufgenommen und eine klare Präferenz für die Auslegung des Ausweises der erdienten Vergütung abgegeben. Als erdiente Vergütung wird die Vergütung bezeichnet, für die die zugrunde liegende (ein- oder mehrjährige) Leistung im Berichtsjahr vollständig erbracht wurde, d.h. die Leistungskriterien erfüllt wurden und die Höhe der Auszahlung ermittelbar ist, auch wenn die Auszahlung erst im darauffolgenden Jahr erfolgt (Variante 2 des IDW-Q&A).
In diesem Jahr wurde eine Passage zur vergleichenden Darstellung nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 ergänzt. Hier zeigt sich in Deutschland ein relativ heterogenes Bild der gemachten Angaben. Entgegen der Praxis einiger Unternehmen, lediglich die prozentuale Veränderung der Vergütungen des Vorstands, Aufsichtsrats und der Mitarbeiter bzw. der Ertragsentwicklung darzustellen, spricht sich Glass Lewis hier für eine Darstellung der absoluten Euro-Beträge oder zumindest der vertikalen Relation zwischen den Vergütungen aus.
Aufsichtsratsvergütung
Die Aufsichtsratsvergütung steht deutlich seltener im Fokus von Stimmrechtsberatern und Investoren als die Vorstandsvergütung und erzielt in der Regel sehr hohe Zustimmungsquoten der Hauptversammlungen. Mit der diesjährigen Aktualisierung der Proxy Voting Guidelines hat Glass Lewis jedoch in der kontinentaleuropäischen und deutschen Fassung den Abschnitt zur Aufsichtsratsvergütung erweitert. Hier wird klargestellt, dass Glass Lewis auch bei der Aufsichtsratsvergütung eine Gegenstimme in Erwägung zieht, wenn deutliche Erhöhungen der Vergütung vorgeschlagen werden und diese nicht ausreichend bzw. gut begründet werden. Wie bei der Vorstandsvergütung auch wird hier der Vergleich mit den direkten Peers des Unternehmens berücksichtigt.
Fazit
Die diesjährigen Änderungen der Proxy Voting Guidelines für Deutschland und Kontinentaleuropa konkretisieren die Position von Glass Lewis zu bekannten und aus der Praxis abgeleiteten Fragestellungen im Rahmen der Vorstands- und Aufsichtsratsvergütung. Wie gewohnt stehen dabei die Erwartungen an Transparenz und Pay-for-Performance im Vordergrund.
Unternehmen sollten die Einführung einer (teilweise) nur an die Aktienkursentwicklung gebundenen langfristigen variablen Vergütung sorgfältig abwägen und mit Gegenstimmen von Investoren rechnen, gerade wenn eine Umstellung von einem bevorzugten Plantyp, wie einem Performance Share Plan, vorgenommen wird. Um den Pay-for-Performance-Check der Investoren sicher zu bestehen, ist grundsätzlich darauf achten, dass die Leistung des Vorstands und des Gesamtunternehmens nicht nur in einer Dimension gemessen wird, sondern möglichst gesamthaft abgebildet wird.
Den Transparenzanfordernissen von Stimmrechtsberatern und Investoren nicht zu genügen, wirkt sich in der Regel eindeutig negativ auf das Abstimmungsergebnis aus. Insofern ist auch die vorgenommene Klarstellung von Glass Lewis hinsichtlich der Gestaltung und des Ausweises von Ausgleichszahlungen als klare Botschaft zu verstehen, dass diese transparent und gut begründet im Vergütungsbericht dargelegt werden sollten, um eine Gegenstimme zu vermeiden. Die Ausweisqualität bzw. Transparenz in der vergleichenden Darstellung sollte überprüft und das Abstimmungsverhalten der Investoren in diesem Zusammenhang im Auge behalten werden.
Soll eine Erhöhung der Aufsichtsratvergütung vorgenommen werden, ist darauf zu achten, dass diese ähnlich detailliert wie bei der Vorstandsvergütung begründet wird und im Marktvergleich nicht exzessiv erscheint. Mit den gestiegenen Anforderungen an die Aufsichtsratsarbeit ist auch ein genereller Anstieg der Vergütung zu verzeichnen, weshalb das Thema verstärkt auf die Agenda der Stimmrechtsberater und Investoren rücken könnte.