Am gestrigen Abend trafen sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zur gemeinsamen Veranstaltung des Corporate Governance Instituts der Frankfurt School of Management & Finance und der Corporate Governance Advisory von Mercer hkp///group.
Der Anlass war die Veröffentlichung des Herausgeberbands „Nachhaltigkeit und Transformation im Unternehmen - Rechtlicher und strategischer Wegweiser für Aufsichtsrat, Vorstand und Management“ einer umfassenden Orientierungshilfe für Führungsebenen im Spannungsfeld von Nachhaltigkeit und Unternehmensstrategie. Die Mit-Gastgeber:innen der Veranstaltung Regine Siepmann und Dr. Jan Dörrwächtersind mit einem eigenen Beitrag im Band vertreten.
Unter dem Titel „Nachhaltigkeit als unternehmerische Chance“ stand die Diskussion drängender Fragen im Mittelpunkt: Wie gelingt die nachhaltige Transformation des Wirtschaftssystems? Welche Rolle spielen Aufsichtsräte, Vorstände und das Management? Und welche Risiken und Chancen ergeben sich für Unternehmen in diesem Prozess?
Bereits die Einladung hatte auf den transformativen Charakter der Nachhaltigkeit hingewiesen. Nachhaltigkeit durchzieht heute sämtliche Bereiche eines Unternehmens und beeinflusst maßgeblich dessen Erfolg, Zugang zu Kapital und Attraktivität am Arbeitsmarkt. Mit diesen Gedanken eröffnete Frau Prof. Dr. Redenius-Hövermann, Mit-Herausgeberin des neuen Fachbuchs, die Veranstaltung.
Ein ernüchternder Blick auf den Status quo
Die Impulse des Abends kamen von RA Prof. Dr. Dieter Leuering, Partner Flick Gocke Schaumburg, Direktor des Instituts für Unternehmensrecht der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Wiebke Merbeth, Mitglied des Sustainable Finance-Beirats der Bundesregierung, sowie Dr. Jan Dörrwächter & Regine Siepmann. Sie umfassten Themen rund um die politische und gesellschaftliche Dimension der Nachhaltigkeit.
Die Diskussion offenbarte dann recht schnell eine unbequeme Wahrheit: Die Erreichung der maßgeblichen Klimaziele sind mehr denn je in weiter Ferne. Nicht mehr das 1,5-Grad-Ziel, sondern fast schon 3 Grad Erwärmung sind realistisch. Diese alarmierende Entwicklung kollidiert jedoch mit einer sinkenden gesellschaftlichen Akzeptanz für notwendige Maßnahmen, insbesondere in der politischen und gesellschaftlichen Landschaft.
Gleichzeitig war man sich einig: Regulatorik bleibt ein wichtiger Zwangsmechanismus, um Unternehmen zum Handeln zu bewegen.
Die wirtschaftliche Perspektive: Geschäftsmodelle auf dem Prüfstand
Ein weiterer Aspekt der Diskussion war der Fokus auf die wirtschaftlichen Implikationen der Transformation. Nachhaltige Geschäftsmodelle, so ein zentrales Statement, sind nicht nur ökologisch notwendig, sondern auch aus Investorensicht entscheidend. „Welche Geschäftsmodelle sind heute noch langfristig tragbar?“ Diese Frage steht im Mittelpunkt der Überlegungen von Unternehmen und Kapitalgebern.
Ein weiterer Punkt: Umweltzerstörung verursacht Schäden, deren Kosten oft in die Zukunft verlagert werden – ein Zustand, der langfristig nicht haltbar ist. Doch die Realität zeigt, dass Unternehmen oft kurzfristig agieren – und je nach Lage agieren müssen. Auch stehen Unternehmen vor der Herausforderung, „alles auf einmal“ umsetzen zu müssen, was zu Überforderung führt, gerade auch, wenn es um Pilotphasen bzw. Erstumsetzungen geht.
Governance und Führung: Strategische Verantwortung
Aufsichtsräte und Vorstände tragen eine besondere Verantwortung im Transformationsprozess. Essentiell sei es, Strategien zu entwickeln, die nicht nur kurzfristige Ziele bedienen, sondern langfristig ausgerichtet sind. Dabei wurde auch die Bedeutung von ESG-Kennzahlen in Vergütungsmodellen des Vorstands thematisiert: Allerdings spiegeln diese insbesondere bestehende Strategien wider und sind somit keine alleinige Lösung.
Vielmehr müsse die gesamte Unternehmensausrichtung von Grund auf nachhaltig gestaltet werden, eine Aufgabe für den Aufsichtsratsvorsitzenden in seiner Rolle als strategischer Begleiter des Vorstands. Vergütung kann ein Hebel sein aber sie ersetzt nicht die strategische Arbeit.
Nachhaltigkeit als Chance und Risiko
Zum Abschluss wurde die Balance zwischen langfristigen Chancen und kurzfristigen Risiken diskutiert. Es bleibt keine Zeit mehr, die Welt zu erhalten, wie wir sie kennen. Unternehmen müssen jetzt handeln, nicht später. Doch die Ambitionen vieler Initiativen scheitern an der Tragfähigkeit regulatorischer Vorgaben. Die Unübersichtlichkeit führe dazu, dass langfristige Ziele oft kurzfristigen Zwängen geopfert werden.
Auch das Kommunikationsdilemma führe dazu, dass Regulierungen oft inkrementell seien und geben keine klaren Zielbilder vor. Dieses Fehlen an Orientierung führe dazu, dass der Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen werde.
Die Diskussion mündete in einem konstruktiven Vorschlag: Priorisierung und klare Zielsetzungen. Statt alles gleichzeitig anzugehen, könne man sich zunächst auf die Rettung der Umwelt fokussieren – und danach weitere Themen adressieren – ein Vorschlag der pro und contra provozierte. Einigkeit herrschte aber in einem Punkt: Es brauche ein Zielbild, das Unternehmen Orientierung gibt und als Grundlage für nachhaltige Strategien dient.
Fazit: Mut zu Klarheit und Prioritäten
Der Abend machte deutlich, dass Nachhaltigkeit vor allem Notwendigkeit ist, aber auch Chance sein kann. Sie bietet Unternehmen die Möglichkeit, sich im Wettbewerb besser zu positionieren, neue Talente zu gewinnen und langfristig als Arbeitgeber erfolgreich sowie als wirtschaftliches verantwortungsvolles Gebilde in seiner Umwelt wertgeschätzt zu sein. Doch der Weg dorthin ist steinig: Kurzfristige Risiken und Herausforderungen dürfen nicht dazu führen, dass langfristige Ziele aus den Augen verloren werden.
Die Gäste verließen die Veranstaltung mit einem klaren Appell: Unternehmen, Politik und Gesellschaft müssen gemeinsam handeln – mutig, fokussiert und mit einem klaren Blick auf die Zukunft.