Das alljährliche Treffen der Branchenvertreter auf dem Banken Gipfel des Handelsblatts stand in diesem Jahr unter dem Motto Zeitenwende. Die Themen waren dabei so vielfältig, wie die aktuellen Herausforderungen für Märkte und die Finanzdienstleister im Speziellen. Die aktuelle Unsicherheit hinsichtlich der wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen war auf dem Branchentreff selbst bei Optimisten zu spüren. Ein Rückblick auf die Veranstaltung von Isabel Jahn, hkp/// group Partnerin und Financial Services Expertin, insbesondere mit Blick auf Herausforderungen speziell für die HR Funktion in Banken.
Frau Jahn, noch während der Konferenz hatte die EZB den Leitzins um 75 Basispunkte angehoben, was die Sorgen in Richtung Rezession beflügelt hat. Wie waren die Reaktionen auf der Konferenz?
Isabel Jahn: Natürlich treibt eine solche Maßnahme Entscheider und Experten um, das war auch auf der Konferenz zu spüren. Aber die Zinserhöhung war in der Branche zum Großteil schon so erwartet worden, daher hielt sich die Aufregung in Grenzen. Was auf den Podien wie auch unter den Teilnehmern viel intensiver diskutiert wurde, waren die gesamthaften Auswirkungen der Krise.
Was treibt den Bankenlenkern diesbezüglich die größten Sorgenfalten auf die Stirn?
Isabel Jahn: Nun, sie sorgen sich um die deutsche bzw. europäische Wirtschaft, darum, dass Privat- und Firmenkunden zunehmend in Schwierigkeiten geraten könnten und sie machen sich Gedanken um die Zukunft des Bankensektors. Dieser gilt dabei aber nicht als Sorgenkind, sondern wurde unisono als stabil und resilient aufgestellt gesehen: Kapital- und Liquiditätspuffer sind aufgebaut, die Risikovorsorge wurde bereits angepasst und bei der Kreditvergabe gehen Institute bereits vorsichtiger vor, wenngleich formuliert wurde, dass sie auf eine schnelle und intensivere Unterstützung ihrer Kunden vorbereitet sind.
Wird die spürbare Krise zu einer Verlagerung der Prioritäten führen, zum Beispiel bei Transformationsprojekten etc.?
Isabel Jahn: Ja, es verschiebt sich einiges in Richtung Risikovorsorge. Aber die Themen ESG, Taxonomie und Green Banking werden nicht von der Agenda verschwinden. Und auch die technische Entwicklung schreitet weiter rasant vorwärts. Fintechs führen zu disruptiven Veränderungen in der Branche, die Banken müssen daher offener werden für Innovationen und das Arbeiten in Netzwerken und Kooperationen – Embedded Finance ist hier das Stichwort, aber auch die Transformation der klassischen Player zu agilen Organisationen mit solidem technologischen Kern. Dafür braucht es Spezialisten an Bord, ein entsprechendes Mindset, sprich Kultur etc.
Das Handelsblatt hatte bereits nach dem ersten Tag ein Fazit der Konferenz gezogen: Die Krise polarisiere die Bankenlandschaft.
Isabel Jahn: Das fand ich bemerkenswert. Eine unerwartet deutliche Aussage in diese Richtung ging dabei vom CEO der Deutschen Bank aus, der einerseits die deutsche Wirtschaft und die Banken als widerstandskräftig aufgestellt einschätzte, andererseits aber vor den globalen Abhängigkeiten der deutschen Wirtschaft, insbesondere vom chinesischen Markt warnte und eine Rezession als nicht mehr abwendbar bezeichnete.
Gab es hinsichtlich des Themas Rezession gegenläufige Meinungen?
Isabel Jahn: Nein, Herr Sewing hatte bereits am ersten Tag die Zustimmung der Bankenchefs anderer Großbanken mit Blick auf Deutschland und Europa, so zum Beispiel von Unicredit, BNP, aber auch von Manfred Knof, CEO der Commerzbank, der am zweiten Konferenztag den Krieg in der Ukraine nur als Beginn der Zeitenwende beschrieb, und von Cornelius Riese, Co-Chef der DZ-Bank, der konkret vor zunehmenden Privatinsolvenzen und Insolvenzen kleiner Firmen warnte.
Welche Rolle spielte das Thema Inflation?
Isabel Jahn: Es war omnipräsent. Eine dauerhaft höhere Inflation sowie eine mögliche Überschuldung der privaten Haushalte und der kleineren, energieintensiven Firmen wurde von den Vertretern aller drei Säulen des Bankensektors und insbesondere von den Vertretern der Sparkassen und Genossenschaftsbanken mit Sorgenfalten diskutiert. Sparkassenpräsident Helmut Schleweis fürchtet sogar, dass künftig bei 60% der privaten Haushalte das monatliche Einkommen nicht mehr zur Deckung der Ausgaben reichen könnte. Aber es gab durchaus unterschiedliche Ansichten, wie weitreichend die Auswirkungen der Krise sein könnten, auch mit Blick auf die geldpolitischen Signale seitens der Europäischen Zentralbank.
Welche Positionen vertraten die Aufsichtsbehörden auf der Konferenz?
Isabel Jahn: Es gab differenzierte Signale. BaFin Chef Mark Branson, blickte mit einem eher positiven Tenor auf das Risikomanagement der Banken und sah einen mittelfristig positiven Effekt des Zinsanstieges voraus, prognostizierte dennoch ein kurzfristig schwieriges Jahr für kleinere Institute und wies auf steigende Immobilienrisiken hin. Er zeigte sich offen für einen konstruktiven Umgang mit der Branche in der Krise, wies jedoch die Anforderung an Lockerungen, beispielsweise den antizyklischen Kapitalpuffer in dieser Situation zu reduzieren, deutlich zurück. Und in Richtung der Fintech-Szene unterstrich Branson, dass es keinen regulatorischen Freipass für neue Geschäftsmodelle geben wird.
Hatte er konkrete Institute im Blick? Waren da Spannungen zu spüren?
Isabel Jahn: Natürlich konnte er keine Aussagen zu einzelnen Instituten machen. Aber N26 Co-Chef Valentin Stalf beispielsweise sprach, von der Moderatorin zu den durch die Aufsicht auferlegten Wachstumsbeschränkungen befragt, von einem deutlichen Fortschritt seines Hauses in der Umsetzung der regulatorischen Anforderungen und betonte, dass die Profitabilität nun im Vordergrund stehe.
… ein Thema, dass Fintechs übergreifend umtreibt und aktuell zu Strategiewechseln und Verkäufen führt, auch im Krypto-Sektor...
Isabel Jahn: Ja, da ist einiges in Bewegung in der Szene. Und im Krypto-Sektor waren sich die Fachleute auf der Konferenz trotz Krisenstimmung relativ einig, dass ein Mehr an Regulatorik berechtigt sei.
Am zweiten Tag vertrat Finanzminister Lindner die politische Sicht. Welche Impulse setzte er?
Isabel Jahn: Er zeigte sich offen für die Anforderungen der Branche, wenngleich er diese auch in die Pflicht nahm, robuster zu werden und umgekehrt darauf hinwies, dass politische Prozesse sich durch ein Ringen und produktive Spannung auszeichneten und manche Entlastung dadurch nicht schnell genug umsetzbar wären. Er setze sich jedoch stark für Proportionalität in der Bankenregulierung ein und befürwortete eine Kapitalmarktunion, um Hürden zu senken und Europa im globalen Wettbewerb zu stärken – bei gleichzeitiger finanzpolitischer Eigenständigkeit der Staaten.
Immerhin, das sind doch durchaus positive Signale?
Isabel Jahn: So hat es die breite Teilnehmerschaft der Konferenz auch verstanden. Dem zentralen Aspekt einer Bankenunion, der grenzüberschreitenden Einlagensicherung, erteilte er allerdings eine Absage. Hinsichtlich der Krise machte er deutlich, dass in drei unterschiedlichen Richtungen eine Zeitenwende angebrochen sei: sicherheitspolitisch, energiepolitisch und ökonomisch und die finanziellen Kapazitäten des Staates zur Reaktion hierauf begrenzt seien. Somit käme insbesondere Banken eine Schlüsselrolle als Stoßdämpfer und Mitgestalter der Transformation zu. Liquidität der Wirtschaft sicherzustellen und Investitionen zu ermöglichen, sei nicht die Aufgabe der Politik. Deren Aufgabe sei die Gestaltung der Rahmenbedingungen. Konkret führte er eine Verbesserung bei der Haftungsfreistellung, Maßnahmen im Insolvenzrecht oder auch die Sicherstellung der Handlungsfähigkeit der staatlichen KfW-Bank an. Darüber hinaus würde die Politik beim Abfangen sozialer Härten und der Verhinderung von Strukturbrüchen eingreifen.
Inwieweit hat die Krisendebatte das Thema Sustainable Finance bzw. Nachhaltigkeit aus den Diskussionen verdrängt?
Isabel Jahn: In den Paneldiskussion wurde die Umsetzung von Nachhaltigkeitsthemen in Banken als herausfordernd beschrieben, insbesondere für kleinere Institute und solche, die nicht schon vor den Taxonomie-Anforderungen hinsichtlich ihrer Produkte und Portfoliogestaltung Überlegungen zu ihrer Positionierung angestellt haben. Die großen Institute sehen sich hingegen gut aufgestellt, nicht nur für sich selbst die richtige ESG-Strategie zu entwickeln, sondern auch ihre Kunden in dem Feld zu begleiten und durch die Anforderungen zu navigieren. Transparenz und das strukturierte Erheben wichtiger Indikatoren wurde hier als Schlüssel zum Erfolg formuliert und der Versuch, dabei eher den richtigen Prinzipien zu folgen, anstatt viel Papier zur konformen Umsetzung zu produzieren – ein durchaus ambitioniertes Unterfangen angesichts der Berichtspflichten, die sich durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ergeben.
Wie sehr prägten die technologischen Veränderungen die Konferenzdebatte?
Isabel Jahn: Sie wurden im Programm unter dem Titel „It‘s technology, stupid“ gebündelt, was viel über die Sicht der Veranstalter auf das Thema sagt. Generell wurde das Feld breit umrissen. Ein Strategieupdate scheint insbesondere in der Fintech-Szene nötig, die laut Jessica Holzbach, Mitgründerin und CEO des Fintechs Pill, eine schwierige Phase erlebt und sich laut Ramin Niroumand von Embedded Capital auf eine neue, gesündere Realität einstellen muss. Einig war man sich aber, dass Fintechs ein wichtiger Bestandteil für die Innovationskraft der Branche insgesamt sind und nicht von der Bildfläche verschwinden werden – zumal sie schnelles und häufiges Umsteuern gewohnt sind.
… worauf sich auch die etablierten Häuser einstellen müssen. Wie lautet deren Antwort auf die entsprechenden Herausforderungen?
Isabel Jahn: Die Konferenz zeigte einmal mehr, dass in der traditionellen Bankenszene eine klare Digitalstrategie ein Muss für alle Institute ist. Neben der Diskussion um die digitale Transformation, um cloudbasierte Lösungen und deren Umsetzung wurde als ein Schwerpunktthemenfeld der Payment-Bereich identifiziert, der vom CEO der JP Morgan SE Stefan Behr sogar als explizites Wachstumsfeld beschrieben wurde. Bezogen auf die Zukunft des digitalen Bezahlens spannte Visa-CEO, Albrecht Kiel, den Bogen von digitalen Tokens, über Cyber Security zu Open Banking und Partnering mit Fintechs bis zur Diskussion Fiat vs. Krypto-Währungen, um mit dem Metaverse als Geschäftsfeld der Zukunft abzuschließen.
Embedded Finance ist ein Schlagwort, das in den vergangenen Monaten immer häufiger fiel. War es auch Gegenstand der Vorträge bzw. Debatten auf der Konferenz?
Isabel Jahn: Das Thema wurde in der Tat an verschiedenen Stellen aufgegriffen – und daraus abgeleitet die Anforderungen an Customer Centricity. Es ging dabei vor allem um das Verständnis, dass Kunden nicht auf der Suche nach einem Finanzprodukt sind, sondern in erster Linie ein reales Produkt kaufen bzw. finanzieren möchten und dafür schlicht eine Finanzierungslösung brauchen. Ulrich Coenen, Vorstandssprecher von Atruvia, machte daher neben anderen darauf aufmerksam, dass sich Banken im Wettbewerb auf ihre Vorteile konzentrieren sollten: den riesigen Kundendatenschatz bei gleichzeitigem Vertrauensbonus der Kunden. Damit lasse sich bei richtiger Nutzung eine zielführende Customer Experience gestalten – und das nicht nur im klassischen Retail-Geschäft. Auch die Fähigkeit, brillante Finanz-Basics zur Verfügung stellen zu können und dabei mit anderen Playern an der Kundenschnittstelle zu kooperieren, wurde als Option für effizient gestaltete Kundenbeziehungen diskutiert.
Welche Impulse haben Sie für das HR Management und die HR-Funktion in Banken von der Konferenz mitgenommen?
Isabel Jahn: HR-Aspekte waren kein expliziter Schwerpunkt im Programm. Aber hier und dort blitzten relevante Themen in den Vorträgen und Diskussionsrunden auf beziehungsweise ließen sich entsprechend ableiten. Generell geht es für HR darum, die People Agenda so aufzustellen, dass sie die laufenden Transformationsprozesse der Branche im besten Sinne und aktiv unterstützt. Aber wichtig dabei ist: Auch der HR-Bereich selbst muss umdenken, schneller und flexibler auf Veränderungen reagieren sowie den Inhalt des eigenen Leistungsportfolios überdenken, um die erforderliche Gestaltungskraft zu entfalten.
Was wären aus Ihrer Sicht die Angebote von HR speziell mit Blick auf die Themen Krieg und Inflation – lassen sich diese Rahmenbedingungen konkret aus dem HR-Leistungsspektrum heraus bedienen?
Isabel Jahn: Der Ukraine Krieg ist ein weiterer Beweis dafür, dass wir es in einer Welt leben, die bestimmt ist von immer schnelleren Veränderungen und unvorhersehbaren Ereignissen. Dies hatte sich ja auch schon zu Beginn der Covid-Pandemie gezeigt. Für die HR-Funktion heißt das vor allem, schnell und agil auf neue Anforderungen zu reagieren.
Haben Sie dafür ein konkreteres Bild oder Beispiel für gelungene Reaktionen?
Isabel Jahn: Das konnte zu Beginn der Pandemie bedeuten, pragmatisch die Personalplanung anzupassen und beispielsweise den Kreditbereich zu unterstützen, weil dort der Arbeitsanfall sprunghaft angestiegen war oder schnell flexible Home Office- bzw. Remote Work-Möglichkeiten anzubieten und Arbeitszeitmodelle so zu gestalten, dass Mitarbeitende flexibel mit der Situation umgehen konnten. Durch den Ukraine Krieg wiederum musste in verschiedenster Hinsicht auf Sanktionen reagiert werden: Geschäftsbereiche waren herunterzufahren, Mitarbeitende aus Auslandsstandorten zu verlagern oder anderweitig samt ihrer Familien zu unterstützen. Nach unserer Marktkenntnis haben die HR-Bereiche hier sehr stark agiert. Aus den so geschaffenen Krisenlösungen gilt es jetzt zu lernen, sie zu überprüfen und dann für die Zukunft auszugestalten.
In puncto Inflation wird aber Schnelligkeit nicht helfen. Da braucht es grundlegende Antworten!
Isabel Jahn: Diesbezüglich muss der schmale Grat zwischen brancheninherentem Kostendruck und notwendigen Anpassungen der Vergütungen mit Maß, Mut und Weitblick beschritten werden: Wird zu viel angepasst, steigt der Druck auf die Cost-Income-Ratios, was besonders in der Restrukturierung zum Bumerang werden kann. Wird zu vorsichtig oder gar nicht agiert, werden Mitarbeitende mit den Inflationseffekten alleine gelassen; die bereits angespannte Arbeitgeber-Attraktivität der Branche wird zusätzlich belastet.
Werden wir extreme Gehaltserhöhungsrunden sehen?
Isabel Jahn: Wir führen mit verschiedensten Instituten Diskussionen beispielsweise zur Sinnhaftigkeit und Umsetzbarkeit von Einmalzahlungen zur Abfederung von besonders kritischen Effekten und von strukturelle Anpassungen, wo es erforderlich ist. Dieser Spagat beschäftigt im Moment auch die Unternehmen außerhalb der Finanzbranche – das zeigen unsere Umfragen und Studien. Aktuell zeichnet sich ein moderater Umgang mit Gehaltserhöhungsbudgets ab, bei gleichzeitiger Offenheit für Einmalzahlungen, unter anderem da es hier auch steuerliche Erleichterungen geben kann.
Und das Thema Nachhaltigkeit – wo sehen Sie da die Aufgaben von HR?
Isabel Jahn: Nachhaltigkeit war ein zentrales Thema auf der Konferenz, und es ist ja auch eines mit hartem Bezug zu Personalthemen. Es wurde deutlich, dass nicht nur Regulatoren, sondern auch Kapitalmarktpartner und Kunden zunehmend die Berücksichtigung von ESG-Kriterien fordern. Konkret die Banken, aber auch ihre Investmentportfolios und Produkte, müssen ökologisch und sozial ausgerichtet sein und klaren Governance-Anforderungen entsprechen. Der gesamtgesellschaftliche Trend macht klar: ESG is here to stay.
Damit ist das Thema Nachhaltigkeit nicht nur relevant für Portfoliomanagement, Bankprozesse und -produkte…
Isabel Jahn: Dies wurde auf der Konferenz mehr als deutlich – es kann nicht nur um das E oder G von ESG gehen – sondern auch die S-Komponente ist zu gestalten. Mittlerweile erhöhen gerade die weltweit größten Investoren, allen voran BlackRock, den Druck in diesem Themenfeld und fordern ein funktionales Human Capital Management als wichtige Komponente nachhaltiger und wertschaffender Unternehmensführung. Und diesen Druck werden über kurz oder lang auch die nicht-börsennotierten Unternehmen der Finanzbranche spüren. HR-Verantwortliche werden also zukünftig wesentlich stärker in den Kapitalmarktdialog eingebunden und müssen schnell und zuverlässig die erforderlichen Kennzahlen liefern können. Da ist, so zeigen unsere Studien und Gespräche mit Personalverantwortlichen, vielfach noch viel Luft nach oben.
Also noch ein weiteres gewichtigesTo-Do auf der HR-Agenda?
Isabel Jahn: Das klingt mir zu einseitig negativ. Optimistisch würde ich formulieren: Ist die Transparenz bei relevanten KPIs und Prozessen erst einmal geschaffen, besteht für Personalverantwortliche stärker als jemals zuvor die Möglichkeit, gestaltend und als strategischer Partner der Unternehmensführung agieren zu können. So viel Aufmerksamkeit wurde HR noch nie zuvor zuteil. Neben der stärkeren Einbindung in den Investorendialog an der Seite des Aufsichtsrats ist es die Chance, sich mit dem eigenen Wertbeitrag wesentlich effektiver und sichtbarer in die Umsetzung der Unternehmensstrategie wie auch der Nachhaltigkeitsagenda einzubringen.
Und hinsichtlich der technologischen Transformation, welche Rolle spielt HR dabei?
Isabel Jahn: Hier tut sich ein großes Feld auf. Einerseits ist HR gefragt, den Ausbau der digitalen Fitness der Organisation im Rahmen der Personalplanung und -entwicklung sowie insgesamt kulturell in vielfacher Hinsicht mit zu gestalten. Andererseits muss HR selbst den digitalen Wandel im eigenen Bereich und für die HR-Produkte und -Prozesse umsetzen – also auf zwei Ebenen mit Energie vorangehen. Hier erleben wir einen stärkeren Fokus der HR-Verantwortlichen und eine vernetztere Zusammenarbeit mit den für die Digitalstrategie befassten Unternehmensfunktionen.
Zum Abschluss noch der Blick auf die Regulatorik als Thema, das die Branche in den letzten Jahren stark in Beschlag genommen hat…
Isabel Jahn: In der Tat sind die Diskussionen um neue Vorgaben in puncto Vergütung etwas in den Hintergrund gerückt. Aber dafür steht die Umsetzung der ESG-Taxonomien auf globaler, europäischer wie nationaler Ebene den Finanzdienstleistern ins Haus. Und auch diese Anforderungen müssen sich in der Vergütung widerspiegeln – eine Entwicklung, die schon seit einiger Zeit nahezu bei jeder Umgestaltung von Vergütungssystemen eine Rolle spielt. Und auch die Ausdifferenzierung der sektorspezifischen Anforderungen, zum Beispiel für Wertpapierinstitute aus der Investment Firms Regulation (IFR) ist ein Thema. Hieraus ergeben sich weitere Anforderungen in der Vergütungsgestaltung. Auch warten wir in Deutschland aktuell noch immer auf die Veröffentlichung der Wertpapierinstituts-Vergütungsverordnung. Ein weiterer offener Punkt ist das Update der Auslegungshilfe zur Institutsvergütungsverordnung, das bereits für Frühjahr 2022 angekündigt war.
Dafür sind mit Blick auf Fair Pay neue Anforderungen umzusetzen, die einer Prüfung und im weiteren Sinne auch eines Reportings an die European Banking Authority EBA bedürfen.
Isabel Jahn: Wir sind mit vielen Kunden im intensiven Austausch, was Reportings beispielsweise zum Gender Pay Gap betrifft, wobei in zahlreichen Häusern schon komplette Vergütungssysteme auf den Diskriminierungs-Prüfstand gestellt bzw. erste Maßnahmenpakete geschnürt wurden, um strukturelle Defizite anzugehen.
Das klingt in der Tat nach großem Handlungsbedarf für das Personalmanagement in Banken. Was ist speziell aus dieser Perspektive Ihr Fazit der Konferenz?
Isabel Jahn: Die auf dem Banken-Gipfel besprochenen und abzuleitenden strategischen Themen mit zu gestalten, ist eine große Aufgabe – nicht nur für HR. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass der HR-Bereich organisatorisch entsprechend aufgestellt ist, die relevanten strategischen Themen kennt und zu deren Umsetzung beitragen kann. Aber es braucht auch ein neues Selbstverständnis, als entscheidender Gestalter der Transformation agieren zu können und zu wollen. Die Leitfrage von Personalverantwortlichen in Banken sollte daher lauten: Wie schaffen wir es, wirklichen Mehrwert für unsere Organisation zu liefern und im Rahmen des Management-Dialogs entscheidende Impulse für das Erreichen der Unternehmensziele geben zu können? Damit steht auch HR – um das Motto des Banken-Gipfels zu zitieren – vor nicht mehr und nicht weniger als einer Zeitenwende!
Frau Jahn, herzlichen Dank für das Gespräch!