Neue Anforderungen an die Vergütung der Risikoträger in sogenannten Mittleren Wertpapierinstituten gemäß Wertpapierinstitutsgesetz

Frankfurt 07. November 2022. Am 19. Oktober 2022 hat die BaFin den überarbeiteten Konsultationsentwurf der Wertpapier-Institutsvergütungsverordnung – kurz WpIVergV / veröffentlicht. Diese seit längerem erwartete Überarbeitung der Vorlage vom 4. Mai 2021 zielt im Wesentlichen auf die Ausgestaltung von Vergütungsanforderungen in Unternehmen, die gemäß § 2 Abs. 17 Wertpapierinstitutsgesetz (WpIG) als Mittlere Wertpapierinstitute klassifiziert werden. Der überarbeitete Entwurf lehnt sich nun deutlich an die Regelungen der Institutsvergütungsverordnung (IVV) an und berücksichtigt vor allem die „Leitlinien für eine solide Vergütungspolitik“ für Wertpapierfirmen (gemäß EU-Richtlinie 2019/2034), die seitens der europäischen Bankenaufsicht EBA im November 2021 veröffentlicht wurden.

Aus hkp/// group-Sicht klärt der neue WpIVV-Entwurf eine Reihe offener Fragen zur Ausgestaltung und Handhabung von Vergütungssystemen mittelgroßer Wertpapierinstitute, löst hier aber auch signifikanten Handlungsbedarf aus: „Die vielfältigen neuen Anforderungen machen eine systematische Überprüfung der rechtlichen Konformität bereits bestehender Vergütungsregelungen erforderlich bzw. sind Initialzündung für den Aufbau neuer Systeme und Prozesse in der Vergütung von Risikoträgern in diesen Häusern“, ist hkp/// group Partnerin Isabel Jahn überzeugt.

Vergütung von Risikoträgern im Fokus

Die Regelungen gemäß WpIVV-Entwurf betreffen ausschließlich Risikoträger von Wertpapierinstituten, während die IVV allgemeine Anforderungen für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Instituten formuliert. Betroffen sind aber nicht nur eine kleine Gruppe von Geschäftsleitern in Wertpapierinstituten, die gemäß WpIVV-Entwurf in jedem Fall zu den Risikoträgern zählen. So fordern die europäischen Standards zur Identifikation von Risikoträgern – für Wertpapierinstitute die Delegierte Verordnung (EU) 2021/2154 –, dass über eine Risikoanalyse weit mehr Mitarbeitende als Risikoträger zu identifizieren sind.

„Mittlere Wertpapierinstitute müssen ihre Risikoträger künftig auch nach den quantitativen und qualitativen Vorgaben der EU-Regulatorik identifizieren. Hier lohnt sich schon jetzt der Blick auf die Details, um frühzeitig zu klären, wie umfassend der Anwendungsbereich der neuen Vergütungsanforderungen sein wird“, erklärt hkp/// group Partnerin Isabel Jahn.

Die WpIVV-Anforderungen im Überblick

Die wesentlichen Anforderungen des WpIVV-Entwurfs ähneln denen der IVV. Gemeinsamkeiten und Unterschiede lassen sich dabei wie folgt zusammenfassen:

  • Strategiebezug 

Ausgangspunkt für die Vergütungsgestaltung in der WpIVV ist – wie in der IVV – die Ausrichtung der Vergütung an den Geschäfts- und Risikostrategien. Wertpapierinstitute sind dabei angehalten, die langfristigen Effekte der Anlageentscheidungen und die jeweilige Unternehmenskultur zu berücksichtigen. 

  • Vergütungsgovernance

Auch in puncto Vergütungsgovernance weisen WpIVV und IVV zahlreiche Parallelen auf. So sind Verantwortlichkeiten der Geschäftsleitung (Gestaltung und Umsetzung der Vergütungssysteme für Mitarbeitende) sowie des Verwaltungs- und Aufsichtsorgans (Gestaltung und Umsetzung der Vergütung der Geschäftsleiter sowie Überwachung der Ausgestaltung für Mitarbeitende) ähnlich formuliert, genauso wie Dokumentations- und Prüfpflichten (Grundsätze in Organisationsrichtlinien, Dokumentation der Entscheidungsprozesse, jährliche Angemessenheitsprüfungen, Maßnahmenplan bei Mängeln, Information der Risikoträger). Ähnliches gilt für die Betrachtung im Gruppenkontext, d.h. die Verantwortung für die Umsetzung von Vorgaben in nachgeordneten Unternehmen. Selbst die Anforderung an die Einrichtung eines Vergütungskontrollausschusses im Aufsichtsrat ist aufgeführt. Der WpIVV-Entwurf verzichtet dagegen auf die Anforderung, einen Vergütungsbeauftragten zu bestellen.

  • Angemessenheit der Vergütung und Anforderungen an variable Vergütung

Bei der Angemessenheit von Vergütung sowie den allgemeinen Anforderungen an variable Vergütungen sind die Beschreibungen und Zielrichtungen von WpIVV und IVV ebenfalls ähnlich: Es geht um die Vermeidung von Anreizen für unverhältnismäßige Risiken, von Interessenskonflikten und die Berücksichtigung von Verbraucherinteressen. Auch sind signifikante Abhängigkeiten der Risikoträger von ihrer variablen Vergütung zu vermeiden. Negative Erfolgsbeiträge müssen die variable Vergütung reduzieren. Zudem darf die Vergütung der Kontrolleinheiten die Überwachungsfunktion nicht einschränken. Weiterhin gibt es Vorgaben für besondere Vergütungen, zum Beispiel Abfindungen, die als variable Vergütung zu klassifizieren sind, Halteprämien, die besonders zu begründen und auszugestalten sind, sowie garantierte variable Vergütungen, die ausschließlich im ersten Anstellungsjahr gewährt werden dürfen. Auch ein sogenanntes Hedging-Verbot findet sich in den WpIVV-Regelungen, was bedeutet, dass die Risikoadjustierung der Vergütung nicht durch Absicherungsmaßnahmen eingeschränkt oder aufgehoben werden darf. 

  • Keine fest vorgegebene Obergrenze für die variable Vergütung

Eine vorgegebene Obergrenze für die variable Vergütung, wie sie im KWG für Institute vorgeschrieben ist (1:1 fix zu variabel bzw. 1:2 mit Zustimmung der Anteilseigner), wird im WpIVV-Entwurf nicht formuliert. Gefordert wird hingegen ein angemessenes Verhältnis für die Vergütung von Risikoträgern, wobei der Anteil fixer Vergütung ausreichend hoch sein muss, um eine flexible variable Vergütungspolitik umsetzen zu können. 
Etwas detaillierter als in der IVV sind die Vergütungsbestandteile definiert: Die fixe Vergütung spiegelt im Wesentlichen die einschlägige Berufserfahrung und die organisatorische Verantwortung gemäß Tätigkeitsbeschreibung wider; die variable Vergütung die nachhaltige und risikobereinigte Leistung von Risikoträgern sowie die Leistung, die über die Tätigkeitsbeschreibung hinausgeht.

  • Proportionalität auch in der WpIVV 

Wie die IVV sieht der WpIVV-Entwurf einen Proportionalitätsansatz vor. Die weitreichenden besonderen Reglungen, die für die variable Vergütung von Risikoträgern zu berücksichtigen sind, gelten nur für Werte von über 50.000 EUR bzw. über einem Viertel der jährlichen Gesamtvergütung. Im Gegensatz dazu ist in der IVV ein Drittel der Gesamtvergütung als Obergrenze festgelegt. Eine weitere Ausnahme gilt für Wertpapierinstitute, die Kriterien gemäß § 44 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 o. 2 WpIG erfüllen. Diese müssen lediglich die allgemeinen Anforderungen der WpIVV berücksichtigen.

  • Klärungsbedarf bei Vergütungsparametern & Leistungsmessung

Im Rahmen der besonderen Anforderungen muss die variable Vergütung zunächst auf Basis der Leistungen der Risikoträger bestimmt werden, wobei wie in der IVV Leistungen auf drei Ebenen bemessen werden müssen – und damit die individuellen Erfolgsbeiträge der Risikoträger, die des betroffenen Geschäftsbereiches wie auch der Gesamterfolg des Wertpapierinstituts. Die Leistungsbewertung ist vor und nach der Festsetzung der variablen Vergütung vorzunehmen. Vor Festsetzung ist mindestens ein einjähriger Bemessungszeitraum zugrunde zu legen, während die Leistungsbewertung insgesamt mehrjährig erfolgen muss. 
Diese Anforderung hinterlässt Klärungsbedarf. Gemäß IVV unterliegt lediglich die Vergütung von Geschäftsleitern einem mehrjährigen Bemessungszeitraum und nicht – wie es der WpIVV-Entwurf aktuell vorsieht – die aller Risikoträger, deren Vergütung über die Proportionalitätsgrenze hinausgeht.

  • Unterschiede bei Aufschub von Vergütung und Gewährung in Instrumenten

Wie in der IVV müssen mindestens 50 % der variablen Vergütung aus Instrumenten bestehen, das heißt Aktien oder gleichwertige Instrumente, alternativ auch unbare Instrumente, die die Instrumente der verwalteten Portfolios wiederspiegeln. Diese Instrumente sind jeweils mit einem Jahr Sperrfrist zu belegen. Weiterhin müssen mindestens 40 % bzw. 60 % der variablen Vergütung zurückbehalten werden. Sie dürfen nur zeitanteilig gewährt werden. 
Eine Abweichung zur IVV ergibt sich bei den Zeiträumen für die Zurückbehaltung. Hier ist im WpIVV-Entwurf von mindestens drei bis fünf Jahren abhängig vom Geschäftszyklus des Wertpapierinstituts, der Art seiner Geschäfte und Tätigkeit der Risikoträger die Rede. Die IVV fordert dagegen einen Mindestzeitraum von vier bzw. fünf Jahren für Geschäftsleiter und Risikoträger der nachgelagerten Führungsebene.

  • Auch Malus- und Clawback-Regelungen müssen umgesetzt werden

Analog zur IVV finden sich im WpIVV-Entwurf Anforderungen zur Reduzierung oder Rückzahlung variabler Vergütungen, sogenannte Malus- bzw. Clawback-Regelungen. Das Wertpapierinstitut hat dafür Kriterien festzulegen und den Prozess zu dokumentieren. Dabei muss pflichtwidriges Verhalten mit Bezug zur ausgeübten Tätigkeit zu einer deutlichen Verringerung der variablen Vergütung führen. In besonders schwerwiegenden Fällen muss ein vollständiger Entfall oder die Rückzahlung der variablen Vergütung erfolgen, zum Beispiel bei Verantwortlichkeit oder Beteiligung des Risikoträgers an Aktivitäten, die zu erheblichen Verlusten für das Wertpapierinstitut geführt haben. 
Etwas expliziter als in der IVV wird auch auf die erforderliche Sachkunde und Zuverlässigkeit von Risikoträgern hingewiesen – sobald diese nicht mehr gegeben ist, muss die variable Vergütung entfallen und zurückgefordert werden. Auch ein negatives oder schwaches Finanzergebnis kann gemäß WpIVV-Entwurf zum Entfall der variablen Vergütung führen. Dies wird im Rahmen der IVV analog bei der Prüfung des Gesamtbetrages variabler Vergütung abgebildet.

  • Gesamtbetrag variabler Vergütungen auf dem Prüfstand

Auch in der WpIVV finden sich Regelungen zur Prüfung des Gesamtbetrages variabler Vergütungen. Dieser muss in einem formalisierten, transparenten und nachvollziehbaren Prozess festgesetzt werden, wobei die Kontrolleinheiten einzubeziehen sind. Wie auch in der IVV müssen bestehende und künftige Risiken berücksichtigt und die angemessene Ausstattung mit Eigenmitteln geprüft werden. Würde eine Auszahlung oder Gewährung der variablen Vergütungen zu Einschränkungen führen, muss der Betrag reduziert oder darf im Extremfall gar nicht erst festgesetzt werden.

WpIVV: Handlungsbedarf gegeben

Aus Sicht von hkp/// group ist davon auszugehen, dass die finale Fassung der WpIVV zeitnah nach Ende der bis zum 21. November 2022 währenden Konsultationsphase finalisiert wird, so dass eine Umsetzung durch die Institute im Jahr 2023 erwartet werden kann.
Unabhängig vom Zeitpunkt wird auf Wertpapierinstitute, die noch keine umfassenden Regelungen für die Vergütung ihrer Risikoträger entlang der WpIVV-Linie eingeführt haben, einiges an Arbeit zukommen, ist hkp/// group Partnerin Isabel Jahn überzeugt: „Wertpapierinstitute mittlerer Größe haben in der Regel noch nicht so umfassende Vergütungsregelungen umgesetzt, wie nun gefordert. Vor allem die Bemessung variabler Vergütung auf mehreren Ebenen, der Aufschub und die Gewährung in Instrumenten sowie dezidierte Malus- und Clawback-Regelungen erfordern signifikante Modifizierungen in den Vergütungssystemen.“ Die branchenerfahrene Beraterin geht davon aus, dass selbst bei Existenz entsprechender Regelungen und Prozesse, eine Überprüfung der Vergütungssysteme auf die gewünschte Wirkung in Kombination mit der regulatorischen Konformität erforderlich ist. 

Über die hkp/// group 

Die hkp/// group ist eine partnergeführte, internationale Unternehmensberatung mit Fokus auf strategischem HR-Management und Corporate Governance. Als transformations-erfahrene Berater sind wir anerkannter Innovationsführer in HR und beraten große börsennotierte und mittlere international tätige Unternehmen bis hin zu Start-ups. Die hkp/// group Partner verfügen über langjährige und internationale Beratungs- und Unternehmenserfahrung. Sie werden von Aufsichts- und Verwaltungsräten, Vorständen und Geschäftsleitungen sowie HR-Managern und -Spezialisten als kompetente Ansprechpartner geschätzt. 


Kontakt Thomas Müller, Mobil:    +49 176 100 88 237, E-Mail: thomas.mueller@hkp.com

 

* Photo by Justus Menke on Unsplash
Autor Isabel Jahn

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