- Die neue europäische Aktionärsrechterichtlinie und ihre Auswirkungen für Unternehmen in Österreich
Frankfurt, 14. März 2017. Nach jahrelanger Beratung hat das Europäische Parlament heute die neue europäische Aktionärsrechterichtlinie verabschiedet. Österreich und die weiteren EU-Mitgliedsstaaten haben nun zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.
Ziele und Inhalte der neuen Richtlinie
Transparenz und erleichterte Wahrnehmung der Aktionärsrechte sind die zentralen Ziele der neuen Richtlinie. Von besonderem Interesse im Themenbereich Organvergütung sind dabei die Regelungen zur Vergütung der Mitglieder der Geschäftsleitung (Artikel 9a und b), aber auch die erhöhten Transparenzanforderungen (Artikel 3f bis 3i) für institutionelle Investoren, Asset Manager und Stimmrechtsberater. Diese Vorgaben sollen zukünftig auf breiter Basis Rückschlüsse zum Abstimmungsverhalten auf der Hauptversammlung ermöglichen. Weitere Aspekte der Richtlinie betreffen die bessere Identifikation von Aktionären sowie die sogenannten related party transactions.
Abstimmung über die Vergütungspolitik: bindend und alle vier Jahre
Konkret müssen Unternehmen nach Artikel 9a künftig eine Vergütungspolitik entwickeln, über die Aktionäre bindend abstimmen. Die Vergütungspolitik soll sich an den Interessen der Aktionäre ausrichten und die nachhaltige Unternehmensentwicklung fördern. Sie soll u. a. Angaben zur Gewährung von festen und variablen Vergütungskomponenten, zu Verträgen der Mitglieder der Geschäftsleitung sowie zur Ausgestaltung des Vergütungssystems enthalten. Zudem soll die Vergütungspolitik klar und verständlich formuliert werden. Die Mitglieder der Geschäftsleitung sind entsprechend der gebilligten Vergütungspolitik zu entlohnen.
Die Aktionärsrechterichtlinie definiert Mitglieder der Verwaltungs-, Management- sowie Aufsichtsorgane als Mitglieder der Geschäftsleitung. Im österreichischen dualistischen Governance-System ist bereits heute die Hauptversammlung für die Festsetzung der Vergütung des Aufsichtsrats nach § 98 AktG verantwortlich.
Die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder wird typischerweise im Rahmen der Satzung geregelt. Änderungen der Vergütung des Aufsichtsrats müssen daher schon heute nach § 146 AktG mit einer Dreiviertel-Mehrheit der Hauptversammlung angenommen werden. Zur Herabsetzung der Vergütung reicht nach § 98 (1) AktG die einfache Stimmenmehrheit.
Die geplante Abstimmung zur Vergütungspolitik soll bei wesentlichen Änderungen, jedoch mindestens alle vier Jahre erfolgen. Die EU-Mitgliedsstaaten haben jedoch die Möglichkeit, in ihren nationalen Regelungen auf eine bindende Abstimmung zu verzichten und stattdessen eine konsultative Abstimmung vorzusehen. Bisher ist im österreichischen Recht ein solches Say on Pay nicht vorgesehen.
„Mit der Umsetzung der neuen europäischen Aktionärsrechterichtlinie steht Österreich vor einer Zeitenwende in Sachen Vorstandsvergütung. Bisher hatten Aktionäre nur sehr begrenzt Möglichkeit, ihren Ansichten in Sachen Vorstandsvergütung auf der Hauptversammlung Gehör zu verschaffen. Das wird sich ändern.“ Michael H. Kramarsch, Managing Partner hkp/// group
Abstimmung über den Vergütungsbericht
Börsennotierte Unternehmen in Ländern der Europäischen Union sollen zukünftig nach Artikel 9b jährlich einen Vergütungsbericht auf Basis der wie beschrieben gebilligten Vergütungspolitik veröffentlichen. Im Vergütungsbericht soll die Vergütung der Mitglieder der Unternehmensleitung individuell ausgewiesen werden. Dabei sind sowohl gewährte als auch geschuldete Vergütungen zu veröffentlichen.
Zudem ist ein Ausweis der jährlichen Entwicklung der Vergütung der Mitglieder der Unternehmensleitung im Vergleich zu der durchschnittlichen Vergütung der Beschäftigten sowie der Unternehmensperformance über fünf Jahre erforderlich. Über den Vergütungsbericht soll jährlich eine beratende Abstimmung auf der Hauptversammlung erfolgen.
Die einzelnen Länder sollen zudem Guidelines zur standardisierten Darstellung des Vergütungsberichts erlassen. Zur individualisierten Veröffentlichung der Vorstandsvergütung gibt es in Österreich mit dem Unternehmensgesetzbuch (UBG) und dem Österreichischen Corporate Governance Kodex (ÖCGK) bereits Regelungen. Allerdings hat sich noch keine einheitliche Ausweispraxis etabliert.
„Die heterogene Ausweispraxis in Österreich erschwert eine Vergleichbarkeit der Vergütung. Um internationale Standards zu erreichen, müsste die Differenzierung ein- oder mehrjähriger variabler Vergütung, die Berücksichtigung der Altersversorgung und Nebenleistungen sowie einheitliche Bezugszeiträume für variable Vergütungselemente vereinheitlich und klar geregelt werden.“ Michael H. Kramarsch, Managing Partner hkp/// group
Einordnung der Änderungen in den österreichischen Rechtsrahmen
Aktuell steckt der standardisierte Ausweis der Organvergütung in Österreich noch in den Kinderschuhen. Wünschenswert wäre eine klare Regelung zum einheitlichen Ausweis, um die Transparenz zu erhöhen und den Aktionären umfängliche Informationen an die Hand zu geben.
Allerding greift die europäischer Aktionärsrechterichtlinie in den österreichischen Corporate-Governance-Rahmen ein, indem sie fundamentale Kompetenzen des Aufsichtsrats in Sachen Vorstandsvergütung auf die Hauptversammlung übertragen will.
„Die durch Artikel 3 der Aktionärsrechterichtlinie adressierte Erhöhung der Transparenz über die Identität der Aktionäre und ihrer Intentionen ist zu begrüßen. Allerdings scheint die EU von einem idealtypischen Aktionärsbild auszugehen, das wenig Übereinstimmung mit der Realität aufweist. Denn es sind eben nicht mehr unternehmerisch engagierte, langfristig orientierte Einzelaktionäre, die eine Hauptversammlung und ihre Beschlüsse prägen, sondern Fonds, Investoren oder Kapitalsammelstellen mit ihren zum Teil konträren Vorstellungen und ganz eigenen Anreizsystemen.“
Michael H. Kramarsch, Managing Partner hkp/// group