In Zeiten der Digitalisierung und des gesellschaftlichen Wertewandels ist die Transparenz von Daten in Unternehmen und deren Bedeutung für das Talent- und Vergütungsmanagement ein sehr aktuelles Thema. Um damit einhergehende Risiken zu steuern und gleichzeitig die Chancen der Transparenz optimal nutzen zu können, sollten sich Unternehmen kritisch, aber durchaus offensiv mit der Thematik auseinandersetzen. hkp.com im Gespräch mit den hkp/// group Expertinnen Martina Schüpbach und Johanna Rewald.
Frau Schüpbach, Frau Rewald, warum ist das Thema Transparenz in der heutigen Zeit so relevant?
Martina Schüpbach: Unsere zunehmend digitalisierte Welt fördert die Verfügbarkeit und generelle Transparenz von unternehmens- und personenbezogenen Daten. Nicht zuletzt Dank Internet und Social Media haben es Unternehmen nicht immer selbst in der Hand, welche Informationen an die Öffentlichkeit gelangen. Dies gilt auch für sensible Daten zu Gehalt, Führungsverhalten oder Betriebsklima .
Besonders für das HR-Management stellt diese Entwicklung eine Herausforderung dar…
Johanna Rewald: HR arbeitet hauptsächlich mit personenbezogenen Daten und bewegt sich somit permanent auf einem schmalen Grat zwischen Datenschutz und gestiegenem Informationsbedürfnis unterschiedlichster Stakeholder.
Martina Schüpbach: Transparenz ist deshalb auch nicht als eine Entscheidung im Sinne von ganz oder gar nicht zu sehen. Jedes Unternehmen muss für sich Chancen und Risiken abwägen und dann entscheiden, in welchem Umfang, an welcher Stelle und in welcher Form Daten veröffentlicht werden können und sollen.
An welche Chancen und Risiken denken Sie dabei?
Johanna Rewald: Beispielsweise kann durch eine gezielte Offenlegung von Informationen einer unkontrollierten Veröffentlichung von Unternehmensinterna gegengesteuert werden. Wenn Unternehmen beispielsweise mehr Einblicke in ihre Unternehmenskultur gewähren, sind potenzielle Bewerber nicht mehr nur von mehr oder weniger seriösen Online-Plattformen abhängig.
Martina Schüpbach: Dabei ist es jedoch enorm wichtig, dass die offengelegten Informationen und Prozesse vorab überprüft werden. Schließlich soll durch die geschaffene Transparenz ein realistisch-positives Bild nach außen vermittelt werden.
Bringt Transparenz aus Ihrer Sicht eher Vor- als Nachteile?
Johanna Rewald: Sachlich betrachtet sind es eher die Vorteile, die überwiegen. Je mehr Informationen vorliegen, desto effizienter und effektiver kann gearbeitet werden. Transparenz ist aber immer auch ein emotionales Thema. Sind Mitarbeiter bereit für mehr Offenheit, kann ein höherer Transparenzgrad zu mehr Engagement und Zufriedenheit führen. Wird die Bekanntmachung von Informationen allerdings negativ wahrgenommen, beispielsweise im Rahmen des Performance Managements durch das Hervorheben schlechter Leistungen, ist häufig kontraproduktives Verhalten die Folge.
Martina Schüpbach: Mitarbeiter reagieren unterschiedlich auf ein erhöhtes Maß an Transparenz. Dies hängt unter anderem von individuellen Einstellungen und Erfahrungen ab sowie von dem Umfang und der Art, in der Mitarbeiter von diesen Daten persönlich betroffen sind. Zudem erleben wir oft ein fast schon schizophrenes Verhalten: Menschen geben im privaten Umfeld persönliche Daten in erstaunlichem Umfang preis. Im beruflichen Kontext lehnen sie dies – zum jetzigen Zeitpunkt zumindest – oft kategorisch ab. Damit müssen Unternehmen umgehen.
Transparenz wird eher mit Vergütung, weniger mit Talent Management assoziiert. Welche Relevanz hat sie in diesem Kontext?
Johanna Rewald: Das Bewusstsein und Interesse an Talent Management Themen ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. Mitarbeiter interessiert es, welche Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten ihnen geboten werden oder welche Ziele der eigene Chef und die Teammitglieder verfolgen. Das verdeutlicht, dass Transparenz von Unternehmenswerten, Führungsstilen oder Karrieremodellen, aber auch von Instrumenten oder Prozessen wie der Bewertung von Performance und Potenzial oder der beruflichen Weiterentwicklung großes Interesse hervorrufen.
Im Vergütungsmanagement haben wir es mit besonders sensiblen, personenbezogenen Daten zu tun! Ist Transparenz da nicht heikel?
Martina Schüpbach: Absolut! Vergütungsdaten werden von Unternehmen und Individuen sehr unterschiedlich, aber meist eher diskret behandelt. Daher braucht es neben einer strategischen Entscheidung, was, wie, wo und durch wen kommuniziert wird, auch eine besondere Sorgfalt bei der Kommunikation.
Johanna Rewald: Die Sensibilität speziell bei Vergütungsdaten ist aber kulturell auch sehr unterschiedlich ausgeprägt: In Deutschland sehen wir einen eher konservativ zurückhaltenden Umgang mit Vergütungsdaten, weswegen umso bereitwilliger in der Öffentlichkeit dazu spekuliert wird. In anderen Kulturen wird eher offensiv darüber gesprochen, hier zeigen sich die Menschen stolz auf ihre Einkommen.
Eine in unserem Kulturkreis dominierende Sicht auf Vergütungstransparenz ist eine wettbewerbsspezifische: Geheimhaltung schafft Vorteile…
Martina Schüpbach: Es kommt auf die Hierarchie-Stufe an. Sprechen wir von Vorstandsvergütung, hat Transparenz Licht ins Dunkel gebracht und maßgeblich zur Professionalisierung von Vergütungssystemen beigetragen. Mittlerweile sind die Standards in der Vergütungstransparenz von in Deutschland börsennotierten Unternehmen international führend. Aber auch bei anderen Mitarbeitergruppen gilt: Vergütung ist immer ein Spiegel von Geschäftsmodell, Kultur und Erfolg eines Unternehmens und seiner Wertschätzung für den einzelnen. Und so kann ein sehr restriktiver Umgang mit Informationen zu Vergütungssystemen und -höhen schnell zu Zweifeln an einer fairen und marktgerechten Vergütung führen.
Was sollten Unternehmen Ihrer Meinung nach tun?
Martina Schüpbach: Bei Nebenleistungen ist es eher unproblematisch, da werden mittlerweile ganze Kataloge an werthaltigen Leistungen öffentlich kommuniziert. Zumal ja beispielsweise ein Dienstwagen weiterhin als öffentliches Prestige-Objekt gesehen wird. Bei individuellen Vergütungsdaten ist das anders. Hier wäre es beispielsweise überlegenswert, Vergütungssysteme und ihre Funktionsweise über unterschiedliche Gehaltsebenen hinweg unternehmensintern zu veröffentlichen. Auch die Kommunikation der Vergütungsbänder wäre denkbar.
Johanna Rewald: Und wenn dazu noch individuelle Entwicklungsmöglichkeiten entlang verschiedener Karrierepfade aufgezeigt werden, bekommt die Kommunikation von Vergütung einen umfassenderen Charakter. Es wird ein Gesamtbild gezeichnet, dass den Fokus etwas von möglicherweise kritischen Vergütungsangaben nimmt, ohne zu verschleiern.
Gibt es weitere Empfehlungen für Unternehmen zum Thema Transparenz?
Johanna Rewald: Wie bereits angesprochen ist Transparenz mehr als ein Kontinuum anzusehen anstatt als zwei gegensätzliche Pole. Wie viel Transparenz HR in welchem Unternehmensbereich schaffen möchte, sollte also ganz individuell unter Abwägung der Chancen und Risiken entschieden werden.
Martina Schüpbach: Wichtig bei Entscheidungen zu Datentransparenz ist außerdem, das bisherige Informationsverhalten zu reflektieren und die Unternehmenskultur zu berücksichtigen. Lebt das Unternehmen eine Vertrauenskultur, in der Transparenz auf offene Arme stößt, sind viele positive Effekte zu erwarten.
Frau Rewald, Frau Schüpbach, herzlichen Dank für das Gespräch!