Die hkp/// Talent Pulse Survey „Selbstnominierung im Talent Management“ zeigt: Immer häufiger lassen Unternehmen in Deutschland über Selbstnominierung ihren Mitarbeitern mehr Eigenverantwortung für ihre eigene Entwicklung und somit letztlich für Karriere zukommen. hkp.com im Gespräch mit dem Studienautor Frank Gierschmann.
hkp.com: Frau Teramachi, Herr Gierschmann, was genau verstehen Sie unter Selbstnominierung im Talent Management?
Frank Gierschmann: Selbstnominierung ist eine Ergänzung oder Alternative zur klassischen Nominierung durch den Vorgesetzten. Es ist eine Option für Mitarbeiter, sich eigeninitiativ für Entwicklungsprogramme, die Nachfolgeplanung oder vakante Positionen zu nominieren bzw. zu bewerben. Es ist eine Alternative zu den bisherigen Wegen der Talent-Identifikation und -Gewinnung im Unternehmen. Selbstnominierung kann aber nicht nur für Vakanzen zum Einsatz kommen, sondern auch in der Bewerbung für Talent Pools und bei der Berücksichtigung in der Nachfolgeplanung.
hkp.com: Was sind die Kernergebnisse Ihrer aktuellen Befragung unter Unternehmen in Deutschland?
Frank Gierschmann: Die Antworten der Teilnehmer aus rund 38 großen und mittleren Unternehmen in Deutschland untermauern eine Verschiebung vom Fremd- zum Selbst-Management in der Besetzung von Schlüsselpositionen. Immer mehr Unternehmen ermuntern ihre Mitarbeiter, den nächsten Schritt in ihrer Karriere aktiv selber anzugehen – und dies im eigenen Haus. Die Studienteilnehmer versprechen sich von Selbstnominierung in erster Linie, bislang nicht entdeckte Potenzialträger zu identifizieren und so ein breiteres, diverser zusammengesetztes Reservoir an Talenten für Fach- und Führungspositionen aufzubauen.
hkp.com: Nun ist die Idee der Selbstnominierung an sich nicht neu...
Frank Gierschmann: Ja und nein, gerade im Recruiting ist die Initiativbewerbung der klassische Zugang in ein Unternehmen. Selbstnominierung als neuen Ansatz im Talent Management nutzen bereits knapp die Hälfte der Studienteilnehmer. Wichtigste Form ist hierbei die Bewerbung auf eine ausgeschriebene interne Vakanz.
hkp.com: Sprechen Unternehmen damit besondere Mitarbeitergruppen an oder zielen sie auf die Nutzung von Selbstnominierung auf alle Mitarbeiter?
Frank Gierschmann: Selbstnominierung ist als Ansatz Mitarbeitergruppen-unspezifisch. Sie wird aber bislang vor allem für Mitarbeiter der mittleren Führungsebenen genutzt. Die Häufigkeit der Nutzung nimmt ab, je weiter oben Mitarbeitergruppen in der Organisation angesiedelt sind.
hkp.com: Sie hatten bereits die wichtigste Motivation für den Einsatz von Selbstnominierung genannt. Gibt es weitere?
Frank Gierschmann: Die überwiegende Mehrheit der Studienteilnehmer zielt mit der Nutzung von Selbstnominierung auf eine Stärkung der Eigenverantwortung der Mitarbeiter für ihre individuelle Entwicklung ab. Sie folgen damit dem Trend, von Mitarbeitern mehr Commitment für die eigene Karriere einzufordern und diesen gleichzeitig breitere Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten. Weiterhin sollen versteckte Potenziale entdeckt, aber auch einem Verstecken durch den Vorgesetzen entgegengewirkt werden.
hkp.com: Ein Verstecken von Potenzialträgern … das klingt unwirklich…
Frank Gierschmann: … ist aber tatsächlich häufig anzutreffen. Einen guten Mitarbeiter in seinem Team halten zu wollen, ist verständlich, aber letztlich nicht im Sinne des Unternehmens. Das kann selbst in Unternehmen mit sehr reifen Performance Management Prozessen vorkommen – oder sogar gerade dort, weil Vorgesetzte befürchten, dass ihnen ihre Potenzialträger abhandenkommen, sobald sie im Unternehmen bekannt sind.
hkp.com: Welche Vorbehalte gegenüber Selbstnominierung identifiziert Ihre Studie?
Frank Gierschmann: Studienteilnehmer, die Selbstnominierung nicht einsetzen, geben an, dass die ausschließliche Nominierung durch den Vorgesetzten gut funktioniert und es keines weiteren Zugangswegs bedarf. Auch Einwände unterschiedlicher Stakeholder wie zum Beispiel des Vorstands, der HR-Leitung oder Mitarbeitervertretungen werden ins Feld geführt. Außerdem wird befürchtet, dass Selbstnominierung Konflikte zwischen direktem Vorgesetzten und den sich selbst nominierenden Mitarbeitern auslösen könnte. Zudem scheuen Unternehmen das Mehr an administrativen Aufwand, beispielsweise durch zu viele Bewerbungen. Aus unserer Erfahrung wird der Aufwand jedoch tendenziell überschätzt, da sich meist deutlich weniger Mitarbeiter melden als anfänglich angenommen. Weitere Bedenken sind, dass der direkte Vorgesetzte Einfluss über den Prozess verliert und dass selbstnominierte, anschließend abgelehnte Mitarbeiter enttäuscht werden. Überraschend für uns war, dass kaum ein Unternehmen angegeben hat, dass Selbstnominierung der Unternehmenskultur widerspricht.
hkp.com: Wie steht es denn um die Erfahrungen von Unternehmen, die Selbstnominierung bereits nutzen?
Frank Gierschmann: Die Erfahrungen, die Unternehmen mit Selbstnominierung gemacht haben, sind durchweg positiv. Lediglich eine Minderheit unter den Studienteilnehmern äußerte sich kritisch gegenüber diesem Talent-Management-Ansatz. Unternehmen, die Selbstnominierung einsetzen, berichten, dass durch die Möglichkeit zur Selbstnominierung mehr Kandidaten zur Verfügung stehen.
hkp.com: Damit ist doch eines der zentralen Ziele erreicht …
Frank Gierschmann: Mehr noch, es nimmt nicht nur die Quantität der Kandidaten nimmt zu, sondern es finden sich auch mehr Kandidaten mit mehr Diversität. In vielen Unternehmen hat sich zudem die Eigeninitiative der Mitarbeiter zur Gestaltung ihrer beruflichen Entwicklung erhöht – eines der wichtigsten Ziele von Selbstnominierung wird demnach erreicht. Aus unserer Sicht ist Selbstnominierung auch ein Weg, speziell den Frauenanteil in Fach- und Führungspositionen zu erhöhen. Unternehmen, denen es mit der Förderungen von Frauen im Unternehmen ernst ist, verfügen hier über einen zusätzlichen Weg, um mehr weibliche Mitarbeiter mit Potenzial zu identifizieren und zu nominieren.
Herr Gierschmann, herzlichen Dank für das Gespräch.
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