Herr Dr. Albrecht, Covestro hat seit einiger Zeit Workday im Einsatz. Welches System haben Sie vorher genutzt und was waren die ausschlaggebenden Gründe, dass alte System abzulösen?
Dr. Matthias Albrecht: Als Covestro von Bayer abgespalten wurde, haben wir die SAP HR-IT Landschaft in einem „Clone & Go“ Approach übernommen. Hierbei handelte es sich um ein System mit zahlreichen Anpassungen, was natürlich für eine deutlich größere Organisation, nämlich Bayer selber, konzipiert worden war. Daher erforderte der Betrieb dieser Architektur ein hohes Maß an Expertise im Vergleich mit hohen Kosten für den Betrieb, sodass wir uns für einen Neustart fachlich wie technisch entschieden haben, da uns ein neues System eben auch zwingt, über unsere Prozesse nachzudenken.
Was sprach für Workday und warum haben Sie sich gegen SAP oder Oracle entschieden?
Dr. Matthias Albrecht: Oracle ist damals im Prozess relativ schnell rausgefallen, da wir nicht das Gefühl hatten, dass die Lösung zu unseren Anforderungen passen würde. Unsere IT hatte eine leichte Präferenz für SuccessFactors. Für Workday haben wir uns aber entschieden, da das System eine moderne Benutzeroberfläche hat und die Reporting-Möglichkeiten sehr gut sind. Dazu hatten wir den Eindruck, dass sich Änderungen am System relativ leicht abbilden lassen, was sich im Produktivbetrieb dann auch bewahrheitet hat und tatsächlich viele Anpassungen durch HR selber vorgenommen werden können.
Gibt es Dinge die sich nicht bewahrheitet haben?
Dr. Matthias Albrecht: Der Business Case und die angenommene Implementierungsdauer waren rückblickend eher optimistisch. Im Business Case sind wir von Kapazitätseinsparungen ausgegangen, die sich nicht vollständig eingestellt haben, da einzelne Tätigkeiten weiterhin außerhalb des Systems ablaufen müssen. Das sind vor allem solche Prozessschritte, die vorher von der hochgradig angepassten SAP-Plattform unterstützt wurden und die zu komplex für die Abbildung in Workday sind, auf die aber die Organisation nicht verzichten kann oder will. Hinzu kam, dass die von Workday avisierte Implementierungsdauer von neun bis zehn Monaten sich nicht halten ließ und wir nach 1,5 Jahren eine Version live-gesetzt haben, in der noch reichlich „Kinderkrankheiten“ zu beseitigen waren.
Was sind Ihre wesentlichen Lessons Learned oder Empfehlungen?
Dr. Matthias Albrecht: Jedes neue Modul bringt neuen Erkenntnisgewinn, und mittlerweile sind wir mit dem Tool gut vertraut und können unsere Prozesse sinnvoll abbilden. Die nachfolgende Implementierung des Learning Moduls beispielsweise hat sehr gut funktioniert. Auf jeden Fall muss vor der Implementierung eine sorgfältige Analyse und auch Überarbeitung der internen Prozesse erfolgen. Wer versucht, seine bestehende Prozesslandschaft 1:1 in die Cloud zu übertragen, wird damit keinen Erfolg haben. Außerdem ist es wichtig, während der Implementierung den Wissenstransfer im Auge zu behalten. Ab einem bestimmten Punkt ist man auf sich alleine gestellt, und bis dahin muss die entsprechende Expertise im eigenen Unternehmen sichergestellt sein. Dazu sollte möglichst früh der Split zwischen HR und IT neu organisiert werden, da sich durch die Implementierung einer Cloud-Lösung Leistungsbeziehungen zwischen beiden Bereichen ändern. Eine IT-Abteilung, die zuvor mit der Wartung einer komplexen, hochgradig angepassten SAP-Architektur beschäftigt war, benötigt Zeit, um ihre Strukturen und Arbeitsweise an eine Cloud-Lösung anzupassen.
Herr Dr. Albrecht, vielen Dank für das Gespräch!