Im Oktober 2023 ist im Haufe Verlag der Herausgeberband People Sustainability: Partizipation, Wertschätzung, Purpose [1] erschienen. Darin werden die stark zunehmende Bedeutung von nachhaltigem Personalmanagement aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet und praxisrelevante Impulse für die Personalarbeit gegeben. hkp.com sprach mit Mitherausgeber Gunnar Kilian, Mitglied des Vorstands der Volkswagen AG, Geschäftsbereiche Personal und Truck & Bus, sowie mit Autorin Petra Knab-Hägele, Senior Partner der hkp/// group und Leiterin HR Strategy Advisory, über das Buch und über Nachhaltigkeit in Human Resources.

Herr Kilian, Frau Knab-Hägele, was genau steckt hinter dem Titel des neuen Herausgeberbandes, was ist das Konzept? 

Gunnar Kilian: Nachhaltiges Personalmanagement bedeutet, dass Unternehmen nicht nur ökologische Aspekte im Blick haben, sondern auch soziale und ökonomische. Hier geht es besonders um die Schaffung einer Arbeitsumgebung, die nicht nur ressourceneffizient ist, sondern auch die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden fördert. In der Konsequenz geht es um signifikante Investitionen in Weiterbildung, die Förderung von Vielfalt und Inklusion am Arbeitsplatz sowie die Einbeziehung von Mitarbeitenden in soziale und ökologische Projekte.

In Ihren Beiträgen zum Herausgeberband thematisieren Sie Aspekte aus den Bereichen Umwelt (E), Soziales (S) und Unternehmensführung (G), die sogenannten ESG-Kriterien. Wie sind diese im Kontext eines nachhaltigen Personalmanagements zu verstehen, wie werden sie angewendet?

Gunnar Kilian: ESG-Kriterien dienen als Leitlinien für Unternehmen, um ihre soziale und ökologische Verantwortung zu messen und, um mögliche Maßnahmen zu identifizieren, diese zu verbessern. In einem nachhaltig ausgerichteten Personalmanagement müssen Unternehmen sicherstellen, dass Mitarbeitende fair behandelt werden, die Unternehmensführung transparent agiert, sich ethisch verhält und dass umweltfreundliche Praktiken im Arbeitsumfeld gefördert werden. Diese Kriterien sind miteinander verbunden und beeinflussen sich gegenseitig; sie sind von interner wie externer Bedeutung.
Petra Knab-Hägele: Der Bereich Soziales, das S, zählt dabei im Vergleich zu E und G zu den bislang eher weniger beachteten und ausgestalteten Bereichen. Die Haltung von Unternehmen hierzu ändert sich, teils von innen, aber auch Investorendruck und gesellschaftliche Veränderungen bewirken hier einen Wandel. Hinzu kommen eine spezifisch auf das „S“ ausgerichtete Regulatorik und Gesetzgebung auf EU- und Landesebene, aber auch andere Faktoren wie demographische Entwicklungen und Fachkräftemangel.

Von den genannten ESG-Kriterien liegt das S, das Soziale, dem Personalbereich vermutlich am nächsten?

Petra Knab-Hägele: In der Tat ist der Gestaltungsspielraum des Personal-Managements im Bereich S in Bezug zu den Mitarbeitenden hoch. In puncto Umwelt und Governance ist die Personalfunktion stärker in die Umsetzung relevanter Vorgaben an der Schnittstelle zu anderen Unternehmensfunktionen eingebunden. Die Tücke des S-Gestaltungsspielraums liegt in der durchgehenden Implementierung im Employee Life Cycle. 
Gunnar Kilian: Aber es ist nicht so, dass S-Aspekte ein komplettes Novum darstellen. Gerade durch die starke Einbindung der Arbeitnehmerseite im Rahmen der Mitbestimmung sind wir im deutschen Markt schon vielfach weiter als in anderen Wirtschaftsräumen. Denken Sie an Fragen der Mindestlohngestaltung, an flexible Arbeitszeitregelungen oder umfassende Arbeitsschutzmaßnahmen.

Der aktuelle Herausgeberband betont die Bedeutung von Mitarbeitenden im Kontext des nachhaltigen Wirtschaftens von Unternehmen. Worin sehen Sie das entscheidende Moment?

Gunnar Kilian: Ein engagiertes und kompetentes Team ist entscheidend für den Unternehmenserfolg. Indem Arbeitgeber in ihre Workforce investieren, stärken sie nicht nur ihr Employer Branding, sondern fördern auch Engagement, Produktivität und Effizienz. 
Petra Knab-Hägele: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wünschen sich mehr denn je einen Arbeitgeber mit einem sinnstiftenden, handlungsleitenden Purpose, also Unternehmen, die ihre soziale und ökologische Verantwortung erkennen und kommunizieren und diese auch nachvollziehbar wahrnehmen. Diesen Gedanken bis zum Ende gedacht, stellt die konsequente Implementierung von Nachhaltigkeit verbunden mit der Adressierung von Mitarbeiteraspekten – bei allen damit verbundenen Herausforderungen und Aufwänden eine Maßnahme zur Sicherung der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit dar.

Aber konkret: Wie setzen Unternehmen nachhaltiges Personalmanagement in der Praxis um?

Gunnar Kilian: Bei Volkswagen haben wir eine lange Tradition des fairen Umgangs mit unseren  Beschäftigten. Lassen Sie mich ein ungewöhnliches Beispiel nennen: In den Jahren des Wiederaufbaus hat das Unternehmen eine eigene Lebensmittelproduktion aufgebaut, um regelmäßige Mahlzeiten für die hart arbeitenden Beschäftigten der Fahrzeugproduktion bereitzustellen. Diesen Zweig hätten wir nach einigen Jahren einstellen können, die Versorgung war gesichert. Tatsächlich haben wir aber bis heute eine eigene Nahrungsmittelproduktion, die die berühmten Currywürste herstellt und gleichzeitig rund 30 Beschäftigten mit Leistungseinschränkungen Arbeit gibt. Der Bereich arbeitet übrigens profitabel! Was ich damit aufzeigen möchte ist: Nachhaltiges Personalmanagement sieht gleichzeitig die Interessen des Unternehmens wie Gewinne zu erzielen, ausreichende Nachwuchsgewinnung oder eine diverse Belegschaft. Es sieht aber auch die Interessen der Beschäftigten wie Arbeitsplatzsicherheit, faire Entgelte und gute Entwicklungsmöglichkeiten. Am Ende sind es zwei Seiten einer Medaille.        
Petra Knab-Hägele: Wenn wir in den breiten Markt schauen, sehen wir einen zentralen Erfolgsfaktor: die Förderung einer Kultur, die Werte wie Respekt, Vielfalt und Verantwortung gegenüber der Gesellschaft betont. Im Detail werden dabei Weiterbildungsmöglichkeiten geschaffen, Mitarbeitende in Entscheidungsprozesse einbezogen und es wird sichergestellt, dass Führungskräfte diese Werte vorleben. Es geht auch um die Schaffung eines Arbeitsumfelds, das umweltfreundlich ist und individuelles Engagement für soziale und ökologische Projekte fördert. Langfristige Personalbeschaffungsstrategien und eine gezielte Wissensweitergabe spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle.

Herr Kilian, Frau Knab-Hägele, Vielen Dank für das Gespräch!


  • Gunnar Kilian ist Mitglied des Vorstands und Arbeitsdirektor der Volkswagen AG. Er zählt zu den profiliertesten Personalmanagern. Zuletzt wurde er 2023 vom Personal-Magazin unter die „Top 40 HR-Köpfe Deutschlands“ gewählt. 
  • Petra Knab-Hägele ist Senior Partner bei der auf Strategisches HR und Corporate Governance spezialisierten Unternehmensberatung hkp/// group. Sie leitet dort den Bereich Strategic HR Advisory.

[1] Kilian, G.; Gutmann J.; People Sustainability - Partizipation, Wertschätzung, Purpose. Haufe 2023

Autor Petra Knab-Hägele

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