Seit der Finanzkrise im Jahr 2008 haben die Anforderungen an die Ausgestaltung von Vorstandsvergütungssystemen eine deutliche Verschärfung seitens des Gesetzgebers erfahren. National geben das Handelsgesetzbuch (HGB), das Aktiengesetz (AktG) sowie der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) den Rahmen für die Veröffentlichung und Ausgestaltung der Vergütungssysteme von Vorständen börsennotierter Unternehmen.

Mit der bis Juni 2019 von den Mitgliedstaaten umzusetzenden europäischen Aktionärsrechterichtlinie etabliert sich auf europäischer Ebene ein zusätzliches regulierendes Element, welches den Einfluss von Investoren und Stimmrechtsberatern (Proxy Advisors) auf die Vorstandsvergütung erhöht, indem der Vergütungsbericht jährlich zu billigen und die ihm zugrundeliegende Vergütungspolitik spätestens alle vier Jahre durch die Hauptversammlung zu beschließen ist.

Neben den sich ändernden regulatorischen Anforderungen finden sich deutsche börsennotierte Unternehmen in einer sich ebenfalls verändernden Investorenlandschaft wieder: Die Allokation von Geld in passiven Fonds erfährt in Deutschland ein signifikantes Wachstum. Zum Zeitpunkt der Durchführung dieser Studie entsprechen ca. 40 % des im DAX investierten Geldes passiven Investments.

Für Investoren bedeutet dies, dass sich ihr Einfluss auf ihre Zielunternehmen verringert, da aufgrund der Natur von passiven Fonds Positionen gehalten werden müssen. Als einziger Hebel verbleibt für diese Investoren die Governance von Unternehmen. Der Dialog zwischen Emittenten und Investoren verlagert sich daher von den Fonds-Managern auf die ESG-Teams (Environment, Social und Governance) der Investmentgesellschaften.

Zusätzlich zur veränderten Investorenlandschaft ist seit 2015 ein intensiveres Engagement von Stimmrechtsberatern zu beobachten. Zu nennen sind hier vor allem die US-amerikanischen Unternehmen ISS und Glass Lewis, die im Auftrag von Fonds und Vermögensverwaltern die Tagesordnungspunkte von Hauptversammlungen analysieren, Abstimmungsempfehlungen aussprechen und/oder auch Stimmrechte ausüben. Vor allem anglo-amerikanische Investoren verlassen sich im Wesentlichen auf ISS und Glass Lewis. In den USA erzielen die beiden Proxy Advisors zusammen einen Marktanteil von ca. 97 %.

Die Aktualität des Themas Vorstandsvergütung zeigt sich auch darin, dass eine Gruppe namhafter Aufsichtsratsvorsitzender börsennotierter Unternehmen in Deutschland sowie Vertreter wesentlicher institutioneller Investoren, Wissenschaftler und Corporate-Governance-Experten dieses Spannungsfeld zum Anlass genommen hat, Best Practice-Leitlinien für eine einfache und an einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung ausgerichteten Vorstandsvergütung zu erarbeiten. Die durch den Arbeitskreis im Juli 2018 vorgelegten Leitlinien für eine nachhaltige Vorstandsvergütung treffen Aussagen zum Design, zur Darstellung im Vergütungsbericht und zum Dialog mit Investoren und bieten so Orientierungspunkte für Emittenten. Wichtige Stakeholder-Ziele werden ebenso adressiert wie mehr Transparenz bei Investoren und Stimmrechtsberatern.
 

Entwicklung des Say-on-Pay im DAX

Vor allem das Themengebiet Vorstandsvergütung, das unter besonderer Beobachtung und im öffentlichen Fokus steht, bietet für Investoren und Stimmrechtsberater eine Möglichkeit zur Einflussnahme, da in Deutschland seit 2010 für börsennotierte Unternehmen die Möglichkeit besteht, konsultativ gemäß § 120 Abs. 4 AktG auf der jährlichen Hauptversammlung über die Vorstandsvergütung abstimmen zu lassen. Seit Bestehen dieser Möglichkeit hat jedes DAX-Unternehmen mindestens einmal ein Say-on-Pay durchgeführt.

Lagen die Say-on-Pay-Zustimmungsraten bis 2015 im Durchschnitt jenseits der 90 %, waren die Folgejahre von stark rückläufigen Zustimmungsquoten gekennzeichnet. 2017 konnten sogar drei von acht DAX-Unternehmen keine mehrheitliche Zustimmung zu ihren Vergütungssystemen auf den Hauptversammlungen erlangen.

Trotz einer rückläufigen Zahl von Ablehnungen in den Say-on-Pay-Abstimmungen besteht bei Investoren weiterhin eine hohe Kritikbereitschaft hinsichtlich der Vorstandsvergütung in den führenden Unternehmen Deutschlands.

Prof. Dr. Michael Wolff – Universität Göttingen

In der Hauptversammlungssaison 2018 ist eine leichte Erholung zu beobachten; so fiel kein zur Abstimmung gebrachtes System im DAX durch. Dennoch lagen die Zustimmungswerte bei vier von acht Unternehmen unter 80 %. Dies weist auf eine weiter bestehende deutliche Kritik an der Vorstandsvergütung hin, da bei Opposition von mindestens 20 % bzw. 25 % der Stimmen (Erwartung von Glass Lewis bzw. des BVI) in der Regel erwartet wird, dass Kritikpunkte aufgegriffen und gegebenenfalls beseitigt werden.

Analog zur Entwicklung der tatsächlichen Abstimmungsergebnisse ist auch ein Rückgang der positiven Abstimmungsempfehlungen der beiden mächtigsten Proxy Advisors zu entsprechenden Tagesordnungspunkten zu beobachten. So gaben ISS und Glass Lewis im Jahr 2017 erstmalig mehr negative als positive Empfehlungen ab.

 

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Abbildung 1: Entwicklung des durchschnittlichen Say-on-Pay in DAX-Unternehmen 2010-2018, Quelle: hkp/// group Analysen

Autor Michael H. Kramarsch

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