Fünf Jahre – was in Bezug auf Menschen nicht gerade ein biblisches Alter darstellt, wirkt in der Start-up-Welt fast wie eine halbe Ewigkeit. Und in der Tat hat der HR Start-up Award, der vor fünf Jahren gemeinsam von der hkp/// group und dem Bundesverband der Personalmanager (BPM) ins Leben gerufen wurde, seit Bestehen viele HR-Trends und Innovationen erleben dürfen. hkp/// group Managing Partner Michael H. Kramarsch, neben TUI-Personalvorständin Elke Eller Initiator des begehrten Innovationspreises in HR, zieht im hkp.com Interview Bilanz und erläutert, was HR Start-ups so besonders macht – und warum man sich gerade in der Wirtschaftskrise Zeit für ihre Innovationen nehmen sollte.
Herr Kramarsch, zunächst herzliche Glückwünsche zu fünf Jahren HR Start-up Award. Wie lautet Ihr Fazit zur fünften Auflage, die ja unter besonderen Vorzeichen stattfand?
Michael H. Kramarsch: Zunächst möchte ich mich ganz herzlich beim Bundesverband der Personalmanager und seiner Präsidentin, Jury-Mitglied Inga Dransfeld-Haase, bedanken. Den Personalmanagementkongress, in dessen Rahmen der Award verliehen wird, nicht nur virtuell stattfinden zu lassen, sondern mit strengem Hygienekonzept und stark reduziertem Publikum auch vor Ort, war nicht nur eine mutige, sondern letztlich auch die richtige Entscheidung. Ich habe es sehr genossen, die Pitches der Finalisten live mit meinen Kolleginnen und Kollegen der Jury erleben zu dürfen. Der HR Start-up Award war auch dieses Jahr eine Leistungsschau digitaler Innovationen, die das Zeug dazu haben, die Arbeit im Personalwesen, aber auch die Arbeit von morgen ganz allgemein zu prägen.
Was gab es denn speziell in diesem Jahr für Lösungen zu sehen?
Michael H. Kramarsch: Im Finale präsentiert haben sich drei Start-ups aus den Bereichen Recruiting, Personalorganisation und Learning: Jobpal als Entwickler von Chatbots für das Recruiting, die Unternehmen ermöglichen, schnell auf Anfragen von Kandidaten und Kandidatinnen zu reagieren. Danielle Software zeigte ein Tool, das agile Personalorganisation vor allem in kleineren und mittleren Unternehmen möglich macht. Und Userlane präsentierte ein Navi für die Bedienung von Software, das Mitarbeitenden die Anwendung neuer Software erleichtert. Durchgesetzt haben sich per Publikumsvotum am Ende Danielle Software und Userlane und somit digital unterstützte Personalorganisation und die Software-Navigation, aber wie hieß es immer so schön in der Mini Playback Show: Eigentlich haben alle drei gewonnen. Sie haben sich gegenüber 40 anderen Einreichungen durchgesetzt und echte Innovationen präsentiert.
Was sind für Sie „echten Innovationen“?
Michael H. Kramarsch: Damit meine ich, dass sie potenziell echten Mehrwert für die HR-Organisation in Unternehmen bieten. Schauen wir doch konkret auf die Finalisten: Jobpal hat sich allen Widerständen zum Trotz dazu entschieden, eine eigene Engine im Bereich Natural Language Processing, oder kurz NLP, aufzubauen – mit einem klaren Fokus auf Recruitment. Dabei hat man sich von den großen Playern nicht ins Bockshorn jagen lassen. Heute ist ihre Sprach-Engine weltweit führend im Bereich Recruiting. Und wenn Kandidaten dadurch zeit- und ortsunabhängig individuelle Fragen an einen Chatbot stellen können und dieser ihnen rund um die Uhr ebenso individuell antworten und somit weiterhelfen kann, ist das ein klarer Fortschritt in der Recruiting-Kommunikation.
Wie sieht es bei den Gewinnern aus?
Michael H. Kramarsch: Wenn, wie bei Danielle Software, IT-Lösungen KMUs dabei helfen, unflexible, aufwendige und papierlastige HR-Prozesse zu digitalisieren und diese dadurch effizienter und mitarbeiterfreundlicher werden, ist auch das ein echter Mehrwert – und weist mit der Vision einer einheitlichen europäischen HR-Prozessplattform weit darüber hinaus. Und zu Userlane: Ein Tool, das mich direkt in einer Software im Sinne eines „Navis“ bei der Lösung eines spezifischen Problems oder einer Aufgabe unterstützt, ist ebenfalls ein Gewinn für Firmen in der digitalen Transformation – insbesondere, wenn man sich die enorme Frequenz von Programmreleases heute vor Augen führt. Mit echten Innovationen meine ich also Lösungen wie diese: Tools, die das Leben von Personalmanagern und Mitarbeitenden potenziell tatsächlich einfacher machen – und nicht nur so tun.
Sie fördern Start-ups nicht nur mit dem Award, sondern sind auch selbst in Start-ups investiert. Was fasziniert Sie ganz persönlich an jungen Tech-Firmen im Bereich Personalmanagement?
Michael H. Kramarsch: Einerseits ist es ganz grundsätzlich die Faszination für und der Respekt vor Entrepreneurship. Unternehmergeist, gepaart mit technologischem Fortschritt packt mich besonders, da es doch letztlich Technologien sind, die unser Zusammenleben und Zusammenarbeiten erheblich umkrempeln und so etwas wie New Work erst möglich machen. Es waren und sind Start-ups, die die Geschichte der Digitalisierung mit ihren Visionen und Innovationen geschrieben haben. Dabei brachten und bringen es nicht alle Firmen von der Garage zu Weltruhm. Doch ihre Ideen geben oft eine Ahnung, von dem was kommen könnte oder kommen wird. Und das ist im HR-Umfeld in doppelter Weise spannend: Denn die Lösungen im Personalwesen betreffen meist nicht nur die HRler als unmittelbare Anwender, sondern potenziell alle Beschäftigten. Damit sind sie es, die die Arbeit von morgen aktiv gestalten!
Wird es für die Start-ups angesichts der durch die COVID-19 Pandemie ausgelösten Wirtschaftskrise nicht richtig schwer, andere Unternehmen von ihren Innovationen zu überzeugen?
Michael H. Kramarsch: Corona hinterlässt in allen Unternehmen Spuren und ist eine historische Herausforderung. Aber klar, sehr jungen Unternehmungen, die vielleicht nicht nur nach Kunden suchen, sondern auch nach frischem Kapital für die nächste Finanzierungsrunde, haben es gerade alles andere als leicht. Und die Wartezeit bis staatliche Förderungen wirken, überleben viele nicht. Was immer schon galt, ist heute deshalb umso wichtiger: Start-ups müssen einen faktischen Mehrwert bieten und dieser liegt gerade jetzt darin, Prozesse schlanker, effizienter, effektiver und damit auch finanziell und personell ressourcenschonender zu machen. Konnte man in den fetten Jahren vielleicht auch noch mit Tools punkten, die sexy designt waren und nur ein kleines Schrittchen nach vorne machten, sollte jetzt ein klar darstellbarer Innovationssprung angeboten werden, der den anwendenden Unternehmen ermöglicht, Geld, Zeit oder Personeneinsatz zu sparen.
Es gilt also mehr denn je, anhand harter Kennzahlen zu überzeugen. Können HR Start-ups, die das schaffen, damit potenziell nicht auch einen Beitrag zur Bekämpfung der Krise leisten?
Michael H. Kramarsch: Ich möchte ungern einem Thema Aufmerksamkeit verschaffen, indem ich das Label „Krisenretter“ drauf klebe. Diese Schuhe wären insbesondere für Start-ups, die keinen Konzern im Rücken haben, sicher zu groß. Dennoch: HR Start-ups machen Unternehmen, deren Personalmanagement und die Leistungen für Mitarbeitende potenziell wirtschaftlicher. Und alles, was hilft, wirtschaftlicher zu sein, leistet einen Beitrag dazu, die aktuelle Krise zu bewältigen.
Haben Unternehmen gerade überhaupt Zeit für Innovation?
Michael H. Kramarsch: Da antworte ich gerne mit einem Appell für mehr Lust am Experiment. Große Unternehmen sollten Experimente starten, ausprobieren, lernen und verwerfen. Wenn jedes B2B Start-up durch die Konzernmühlen von IT, Compliance, Business need etc. gedreht wird, ist am Ende nichts mehr übrig. Genauso müssen sich aber Start-ups an der Umsetzbarkeit ihrer Ideen auch in großen Organisationen messen lassen. „Jugend forscht“ ist manchmal charmant, aber hilft langfristig nur wenig weiter – auch bei den Start-ups braucht es also mehr Verständnis für die Anforderung der „anderen Seite“. Erkenntnisse über die gegenseitigen Erwartungen liefert übrigens die Studie „HR Start-ups auf dem Prüfstand“, die die Wiesbaden Business School und das Personalmagazin gemeinsam mit der hkp/// group dieses Jahr veröffentlichten.
Unternehmen sollten sich also auch in der Krise die Zeit für Start-ups nehmen.
Michael H. Kramarsch: Zeit für Innovationen ist ohne Alternative. Wer sich die Zeit nicht nimmt, verspielt seine Zukunft. Natürlich steht bei der Krisenbewältigung die Liquiditätssicherung am Anfang – und das ist definitiv herausfordernd. Wer sich aber nur darin übt und nicht gleichzeitig auch mit einem Auge das gegenüberliegende Ufer im Blick behält und darüber nachdenkt, wie das Unternehmen auch nach der Krise noch am Markt bestehen kann, wird von Konkurrenten, die weiter gedacht haben, überholt. Insofern sollten sich alle Unternehmen fragen, wie die aktuelle Krise ihr Geschäftsmodell kurz-, mittel- und langfristig beeinflusst und sich entsprechend aufstellen – auch intern. Start-ups im Bereich Personalmanagement können dabei eine wichtige Rolle spielen.
Am Ende noch ein Rückblick: Was hat sie in den 5 Jahren HR Start-up Award besonders beeindruckt?
Michael H. Kramarsch: Neben der Leidenschaft, dem Ideenreichtum und der Professionalität der Gründerinnen und Gründer, ist es schlichtweg dieses „Pulsfühlen“ im Bereich HR-Innovation – direkt mitbekommen zu haben wie und in welchen Bereichen der Puls schneller schlägt. Gemeinsam mit der ehemaligen BPM-Präsidentin, TUI-Personalvorständin Elke Eller, habe ich diesen Preis ins Leben gerufen, um Entwicklungen im Personalmanagement eine Bühne zu bieten, diese nachzuvollziehen und Personalexperten und Innovatoren zusammenzubringen. Und bei aller Bescheidenheit: Das haben wir geschafft. Fünf Jahre HR Start-up Award erzählen die Geschichte zunehmender Innovationsvielfalt – von der Masse an Recruiting-Lösungen, hin zu weiteren Bereichen wie Gesundheit, Learning, People Analytics und viel, viel mehr. Die Gewinner aus fünf Jahren HR Start-up Award lesen sich wie ein „Who is who“der deutschen HR Startup Szene: u.a. Tandemploy, Humanoo, Everskill, Vote2Work und jetzt das doppelte Siegerpaar Danielle Software und Userlane. Der Award führt mir seit fünf Jahren vor Augen, wie lebendig Personalinnovation ist und welch großen Beitrag sie für unsere Arbeitswelt potenziell leisten kann – das beeindruckt mich bis heute zutiefst.
Herr Kramarsch, herzlichen Dank für das Gespräch!