Im September hatte die Deutsche Gesellschaft für Personalführung DGFP ihre Mitglieder zu einem Online-Netzwerktreffen eingeladen. Auf der Agenda stand eines der Fokus-Themen der aktuellen Verbandsarbeit: Nachhaltigkeit und ESG in ihrer Bedeutung für das HR-Management. Im Rahmen der Veranstaltung informierten Petra Knab-Hägele und Frank Gierschmann als hkp/// group ExpertInnen zu Hintergründen, aktuellen Entwicklungen und erläuterten u.a. wie Unternehmen den entsprechenden Anforderungen von Investoren an das Human Capital Management gerecht werden können und welche Aufgabe HR dabei zukommt. Ralf Butzkow, HR Director Knorr Bremse am Standort München, schilderte seine Sicht und Erfahrungen aus der Perspektive des Praktikers. Die Moderation lag in den Händen von Kai H. Helfritz, Leiter Mitgliedermanagement & Kooperationen bei der DGFP.
In seiner Begrüßung an die bis zu 50 TeilnehmerInnen des Online-Netzwerktreffens ordnete Moderator Kai Helfritz das Thema ein. Er verwies auf ESG und Human Capital Management (HCM) als ein Schwerpunktthema der Verbandsarbeit und skizzierte das Spannungsfeld von regulatorischen Neuerungen, veränderter Investoren-Sicht auf HR-Themen sowie der sich verändernden Rolle der HR-Funktion.
Seine Einleitung wurde im Folgenden durch hkp/// group Senior Partnerin Petra Knab-Hägele und hkp/// group Partner Frank Gierschmann aufgegriffen. Die beiden ExpertInnen für strategisches HR Management führten aus, dass es sich bei ESG um kein neues Thema handelt. Sie illustrierten dessen Entstehungsgeschichte an unterschiedlichen Meilensteinen: für den Aspekt „E“ (Environment) exemplarisch am Deepwater-Horizon-Skandal aus dem Jahre 2010 im Golf von Mexiko, der in einer historischen Umweltkatastrophe mündete wie auch einem dramatischen Wertverlust für die Investoren. Mit Blick auf das „G“ (Governance) war der Enron-Skandal eine wichtige Zäsur. Hier hatten schon 2001 massive Bilanzfälschungen zur Insolvenz des US-Energieversorgers und letztlich zum Totalverlust für die Anleger geführt. In der Aufarbeitung des Skandals kollabierte der Wirtschaftsprüfer Arthur Anderson und wurde 2002 der Sarbanes-Oxley Act verabschiedet, der deutlich höhere Corporate Governance Anforderungen stellte. Die Selbstmordserie unter Beschäftigten des Elektronik-Herstellers Foxconn und sich etwa gleichzeitig ergebenden, wiederholten Unglücke in der asiatischen Textilindustrie rückten zuletzt das „S“ von ESG in den Blickpunkt der Öffentlichkeit wie auch des Kapitalmarkts im Besonderen.
Aus Sicht von Petra Knab-Hägele beeinflussen aktuell zwei Trends die rasante Entwicklung bei ESG: Dies sind zum einen die Präferenzen einer neuen Generation – die in nachhaltige Produkte und Anlagemöglichkeiten investieren will; zum anderen sind es regulatorische Vorgaben auf globaler, europäischer wie auch deutscher Ebene – wie der Entwurf der EU-Kommission zur Corporate Sustainability Reporting Directive, oder detailliertere Vorgaben der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG), die Entwürfe der neuen Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung veröffentlicht hat.
In dieser Entwicklung gerät zunehmend auch die HR-Funktion und das HR-Management in das Blickfeld institutioneller Investoren. So stellt der weltweit größte institutionelle Investor BlackRock - zur Zeit in mehr als 18.000 Unternehmen und fast im gesamten Dax investiert - bereits seit mehreren Jahren in zunehmender Klarheit die Bedeutung von Human Capital Management (HCM) heraus. CEO Larry Fink mahnt dabei seit längerem „seine CEO’s“, den Wandel der Zeit zu erkennen und den eigenen Talent-Strategien die Bedeutung zu geben, die ihnen gebührt. In seinem Gefolge befinden sich inzwischen namhafte Investoren. Diese suchen bei ihrem Blick auf HCM nach der Absicherung von Wachstum wie auch nach einem aktiven Risiko-Management, so Frank Gierschmann, der dies auch an den Beispielen Diversity, Talent Management und Lieferketten-Menschenrechte illustrierte. Er verdeutlichte, dass HCM für Investoren stark Nutzen-getrieben ist, und bei Weitem kein Good Will-Thema.
Schaut man auf die Art und Weise, wie Organisationen über ihr HCM berichten, bilanzieren die hkp/// group ExpertInnen eine sehr heterogene Landschaft. Am sichtbarsten werde dies in der nicht-finanziellen Berichterstattung in Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichten, wie nicht zuletzt auch gemeinsame Studien von hkp/// group, DGFP, House of Labour und DIRK Deutscher Investor Relations Verband belegen (siehe u.a. hkp/// group HCM Monitor DAX 2021). Weder in den gewählten Inhalten, noch in der Struktur, gewählten KPI’s oder im Umfang habe sich bislang ein roter Faden herausgebildet. Angesichts fehlender Standards und definierter KPIs berichten Unternehmen bislang vor allem über Aspekte, in denen sie aus eigener Sicht Gutes tun oder Gutes zu berichten haben. Häufig kommt es von Jahr zu Jahr zu unterschiedlichen Schwerpunkten. Themen mit klarer organisatorischer Zuordnungen, wie Ausbildung, Qualifizierung und Engagement, werden häufig überproportional ausführlich in der Berichtslegung dargestellt.
Gleichzeitig zeige sich, dass Investoren davon unterschiedliche und in der Intensität hoch divers ausgeprägte Anforderungen an ESG und HCM haben. In der Folge ergibt sich über weite Felder ein Mismatch zwischen der Berichterstattung von Unternehmen und den Anforderungen von Investoren. Themen, die von Investoren wie auch Unternehmen gleichermaßen intensiv ausgeleuchtet werden sind Diversität und Chancengleichheit oder aber die Zusammensetzung und Arbeit der Organe (Vorstand/Aufsichtsrat).
Aus seiner Sicht als HR-Manager eines im MDAX börsennotierten Unternehmens bestätigte Ralf Butzkow, HR Director Knorr Bremse am Standort München, die skizzierten Entwicklungen. Im Unterschied zu anderen Unternehmen hatte Knorr-Bremse in Vorbereitung auf den Börsengang 2018 viele der von Investoren geforderten Einblicke und Kennzahlen ermittelt und diese seitdem in der Kapitalmarktkommunikation berücksichtigt, so dass Unternehmen dem verstärkten Augenmerk von Investoren auf HCM-Themen gewachsen ist. Ein weiterer Grund für den aktuell guten Stand sind HCM-nahe Forderungen der öffentlichen Hand in Ausschreibungsprojekten. Auch hier zahle sich aus, dass bestimmte Kennzahlen und Prozesse, zum Beispiel zu Diskriminierung, Frauenanteil etc. schon erhoben bzw. monitort werden und zum Teil auch durch neutrale Organisationen zertifiziert sind. Lägen diese Zertifikate nicht vor, wäre vielfach schon eine Teilnahme an Ausschreibungen von Kommunen etc. nicht möglich.
Mit großem Interesse verfolgten die TeilnehmerInnen der Veranstaltung seine Ausführungen zu Wochenarbeitszeit. So führte Ralf Butzkow aus, dass Knorr Bremse als eines der wenigen Unternehmen eine 42-Stunden-Wochenarbeitszeit habe und er regelmäßig auf die Wettbewerbsfähigkeit seines Unternehmens angesprochen werde, speziell auch vor dem Hintergrund einer deutlich geringeren Tarifwochenarbeitszeit in der Metall- und Elektroindustrie. Die Frage, ob Investoren diesen Fakt negativ sehen, verneinte er und führte aus, dass auch Wirtschaftsökonomen und selbst einzelne Politiker vor dem Hintergrund von Fachkräftemangel und steigenden Lebenshaltungskosten entsprechende Ansätze befürworten.
Einige der zahlreichen Fragen aus dem Teilnehmerkreis des DGFP-Netzwerktreffens zielten auf die Verankerung der Verantwortung und Aufgaben im Kontext von HCM im Unternehmen ab. Vielfach, so verschiedene Einwürfe, würde noch im Klein-Klein einzelner Bereiche gewerkelt und gern die Verantwortung für bestimmte Themen dem jeweils anderen Bereich zugeschoben. Ralf Butzkow sah hier klar HR in der Verantwortung, wobei es bei diesem Schnittstellenthema nicht ohne die Einbindung anderer Unternehmensfunktion gehe. Der Aufbau eines globalen HR Analytics Centers habe sich dabei sehr bewährt.
Petra Knab-Hägele bestätigte, dass derzeit viele börsennotierte Unternehmen am Aufbau eines solchen zentralen HR Daten-Hubs arbeiten würden und dies in der Tat ein sehr tragfähiger Ansatz im Management von ESG- bzw. HCM-Forderungen der Investoren sei. Aus ihrer Sicht wird damit auch die Grundlage gelegt, um absehbaren zukünftigen regulatorischen Vorgaben in puncto ESG bzw. HCM gerecht werden zu können. Auf die meisten Organisationen in Deutschland kommt mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ab dem Geschäftsjahr 2024 eine umfangreiche HCM-Berichtspflicht zu. Allerdings verwies sie zugleich darauf, dass diese Reporting-Fähigkeit am Ende nicht mehr als ein „needed to play“ Baustein sein werde. Für das „needed to win“ braucht es die schlüssige Darstellung, wie HR-Arbeit mit der Unternehmensstrategie verzahnt ist und letztlich zu deren Umsetzung beiträgt.
Für Personalverantwortliche, die sich aktiv im Thema ESG und HCM positionieren wollen, bedeuten diese Entwicklungen aus Sicht der hkp/// group ExpertInnen, in fünf Bereichen aktiv zu werden. Sie müssen
- die Perspektive und Erwartungen von Investoren und Ratingagenturen verstehen,
- die richtigen Kenngrößen bzw. KPIs global verfügbar machen, steuern und reporten,
- den Dialog mit Investoren zur People Strategy und ihren Anforderungen suchen,
- die eigene HR-Strategie als einflussreichen Umsetzungsschritt der Geschäftsstrategie und des Unternehmenspurpose erläutern und
- auf Basis eines HR Cockpits zu den zentralen Employee and Social Risk KPIs argumentieren können.
In seinen abschließenden Worten danke Moderator Kai Helfritz den Gastrednern für Ihre Ausführungen und auch den TeilnehmerInnen für eine sehr intensive Beteiligung an der Diskussion. Diese habe gezeigt, wie wichtig das Thema ist und weiter werde. HR tue gut daran, sich mit den neuen und gewachsenen Investorenanforderungen auseinanderzusetzen und diese als Chance für die eigene Profession wie auch die eigene Wahrnehmung im Unternehmen zu sehen. Er zeigte sich überzeugt, dass das Thema Human Capital Management kein Modethema ist und einfach wieder verschwinden werde, sondern binnen kurzem die breite Unternehmenslandschaft prägen werde. Viele Unternehmen zeigen sich schon bereit und haben Handlungsbedarf erkannt, aber der Zug hat den Bahnhof eben erst verlassen und sei noch lange nicht angekommen.