Zahlreiche Unternehmen schlagen aufgrund unsicherer konjunktureller Zeiten den Sparkurs ein. Manche Branchen spüren die nachlassende Auftragslage bereits deutlich. Parallel dazu verzeichnet die hkp/// group jedoch eine verstärkte Nachfrage nach Projekten im Bereich Funktionsbewertung bzw. Grading. hkp.com im Gespräch mit den hkp/// group Expertinnen Petra Knab-Hägele und Verena Vandervelt.
Frau Knab-Hägele, woher kommt das verstärkte Interesse nach Funktionsbewertung?
Petra Knab-Hägele: In Zeiten, in denen der Fokus auf Kostenmanagement ausgerichtet ist, werden Strukturen überprüft. Das reicht von Überlegungen, Ebenen rauszunehmen bis hin dazu, den angesammelten „Speck“ zu reduzieren.
Frau Vandervelt, und was genau suchen die Unternehmen?
Verena Vandervelt: Vereinfachung. Die bestehenden Systeme zur Funktionsbewertung werden kritisiert und stehen unter Druck. Sie sind sehr technisch, analytisch und damit aufwendig bei organisatorischen Veränderungen und wenig flexibel. Als Expertensysteme erscheinen sie zudem häufig intransparent.
Woher kommt das?
Petra Knab-Hägele: Die bestehenden Systeme wurden in stabileren Zeiten eingeführt. Die älteren Grading-Systeme sind insofern geprägt von einer zentralen Governance, was Methodik und Prozesse angeht. Die Unternehmen wurden insgesamt stärker zentral geführt und vom Headquarter gesteuert, dies gilt auch für die HR-Organisation mit ihren CoE (Center of Expertise). Das ändert sich gerade auch: Es geht jetzt um mehr Kundenzentriertheit, schnellere Entscheidungswege, Innovationsdruck und agile Teilbereiche. Verantwortung wird zunehmend auch in die operativen Bereiche verlagert und die Nachfrage nach veränderten Funktionsbewertungssystemen steigt.
Gibt es weitere Themen, die zu einer verstärkten Nachfrage nach neuen Systemen führen?
Verena Vandervelt: Einige Branchen, allen voran die Automobilzulieferer, stecken mitten in der digitalen Transformation und nun wird klarer, wohin sich bestimmte Technologien entwickeln. Dies zieht vielerorts wahrlich disruptive Änderungen in der Unternehmensstrategie und -organisation nach sich. Die Zeit des Auslotens, des Testens ist vorbei. Innerhalb kurzer Zeit gilt es, Veränderungen wirksam und effizient herbeizuführen. Und Kosten spielen dabei eine wichtige Rolle.
Welche Konsequenzen hat das für die Organisation?
Petra Knab-Hägele: In Unternehmenszentralen werden Tätigkeiten ganz oder teilweise in Service-Einheiten ausgelagert. Dank neuester IT-Technik können alle Betroffenen übergreifend zusammenarbeiten. Gerade für Unternehmenszentralen bieten sich dadurch neue Chancen, sich schlanker und agiler aufzustellen. In der Presse der letzten Wochen sehen Sie auch im DAX bereits Transformationsprojekte in diese Richtung. Aber fast noch wichtiger: Corporate Center sollen schlagkräftige Strategie-Einheiten sein. Das Top Management soll mit deutlich höherer Geschwindigkeit strategisch beraten werden, man will wesentlich stärker interdisziplinär zusammenarbeiten, Entscheidungen vorbereiten und sie nach Beschluss des Top Managements rasch umsetzen können.
Was heißt das alles nun für Grading?
Verena Vandervelt: Unternehmen differenzieren ihre Organisation arbeitsteiliger: Stark strategisches Arbeiten muss schneller werden, die operative Implementierung ebenso und natürlich muss trotz höherem Tempo alles reibungsfrei ablaufen. Operative und strategische Einheiten werden somit getrennt. Und schließlich werden rein repetitive Tätigkeiten zunehmend automatisiert, Stichwort „Kollege Roboter“. Das Managen von Schnittstellen wird somit erfolgskritisch und Geschwindigkeit sowie effiziente Strukturkosten zum Wettbewerbsvorteil.
Petra Knab-Hägele: Die neue Unternehmens-Organisation mag zwar auf der Makro-Ebene bzgl. Einheiten, Stellenanzahl und Berichtsebenen rasch beschrieben sein. Unsere Erfahrung zeigt aber, dass sie zu Beginn auf Mikro-Ebene, also den einzelnen Stellen, meist nicht ohne Reibungsverluste funktioniert. Wesentliche Schnittstellen sind beispielsweise noch nicht ausgearbeitet und Personenprofile passen noch nicht mit Stellenprofilen überein. Nicht selten erweist sich auch eine neue, vermeintlich effizientere Organisationsstruktur später nach Besetzung der Stellen als weniger günstig als erwartet. Hier können moderne Funktionsbewertungen und Grading deutlich helfen, den Prozess vorab zu challengen und zu klären.
Sie betrachten den sogenannten „Stellenkegel“. Setzt Grading also schon früher an?
Verena Vandervelt: Ja, genau. Im Rahmen der ersten Organisationsentwürfe werden die Stellen der ersten Ebenen bewertet, andere gemappt. Im Anschluss werden in Kombination mit den Personalkosten die Strukturkosten ermittelt. So können sie alternative Organisationsmodelle vergleichen und auch ungeklärte Schnittstellen oder mögliche Schnittstellenkonflikte identifizieren und vorab klären.
Ist das nicht kompliziert und langwierig?
Petra Knab-Hägele: Im Gegenteil. Erfahrene Funktionsbewerter können pragmatisch bewerten und wir bei hkp/// können auch erste Indikationen für eine Organisationsbenchmark geben. Dazu gehören auch Anregungen, wie die Organisation effizienter gestaltet sein könnte – vor allem im Marktvergleich. Hier kann zur späteren Budget-Kontrolle auch eine maximale Anzahl oder Belegung der Grades abgeleitet werden.
Verena Vandervelt: Dieses Budget ist dann später auch ein Deckel und hilft Strukturkosten zu managen. Und das ist neu bei der Einführung von Grading.
Was ändert sich noch?
Petra Knab-Hägele: Grading wird dezentraler. So geht es bei der Einführung und den nachfolgenden Anpassungen bei neuen Stellen etc. eher darum, dass das CoE befähigt und mehr Entscheidungsbefugnisse dezentralisiert, um näher am Kunden zu sein.
Verena Vandervelt: Kundenzentriertheit wird wirklich ernst genommen: Dazu gehört auch, dass die Bewertungssysteme einfacher und intuitiver werden, weniger analytisch sind, über weniger Kriterien verfügen und nicht jede kleine organisatorische Veränderung Bewertungsüberprüfungen initiiert. Insbesondere sollten die Bewertungskriterien die Sprache des Unternehmens reflektieren. Es geht aber letztlich auch um die Teilhabe von Mitarbeitern und Vorgesetzten am Bewertungsprozess – bis hin zur Kommunikation der Methode, des Prozesses im Unternehmen sowie der Ergebnisse.
Es gibt also auch deutlich mehr Transparenz und kundenspezifischere Kommunikation. Stellen Sie weitere Veränderungen fest?
Petra Knab-Hägele: Hier wäre noch die Kostenkontrolle über die Folgejahre zu nennen – also die Jahre nach Einführung. Oft schleicht sich eine Inflation der Grades ein und die Organisationen setzen erneut Speck an. Wir beobachten hier beispielsweise ein jährliches Controlling mit Blick auf die Belegung der Grades. Andere überprüfen auch alle drei Jahre alle Stellen, zum Beispiel mit einem Budget-Ansatz für die maximale Belegung der Grades.
Verena Vandervelt: Man könnte noch so manches nennen, was allerdings auch von der individuellen Ausprägung abhängig ist. Letztlich ist aber Vereinfachung das große Stichwort – auf allen Ebenen. Durch mehr Pragmatismus im Prozess, in der Methode, mit weniger Kriterien und dem „Entrümpeln“ langwieriger Prozesse.
Frau Knab-Hägele, Frau Vandervelt, vielen Dank für das Gespräch.