Jouco Bleeker: Auf keinen Fall. Der grüne Zug hat im Energiesektor längst den Bahnhof verlassen. Die Wende von fossilen Energieträgern hin zu erneuerbaren Ressourcen ist unumkehrbar. Laut Internationaler Energie Agentur, IEA, steigt die Kapazität erneuerbarer Energien zwischen 2016 und 2021 um 42 Prozent an.
Jouco Bleeker: Die Länder investieren nicht alleine der Umwelt oder dem Wähler zuliebe in erneuerbare Energien. Investiert wird auch, weil man von den neuen Industrien und Wirtschaftszweigen profitieren möchte, die der grüne Sektor entstehen lässt – und das, während man teilhat am Versprechen einer nachhaltigen Zukunft.
Gustavo Hamú: Darüber hinaus wird die Energiewende aber auch vom Ölpreis getrieben. Die Preise für konventionelle Treibstoffe waren in den letzten Jahren von einem stetigen Auf und Ab gekennzeichnet – das wird auch in Zukunft so sein. Die Preise für die erneuerbaren Energien kennen allerdings nur eine Richtung: sie fallen. Selbst die traditionsreichsten Ölförderländer folgen mittlerweile dem globalen Trend hin zu erneuerbaren Energien. Viele Länder des Mittleren Ostens investieren beispielsweise intensiv in Solarenergie.
Jouco Bleeker: Absolut! 2016 hat die Industrie rund um die Erneuerbaren rund 9,8 Millionen Menschen eingestellt. Ein Sprung von über zwei Millionen Arbeitsplätzen seit 2012. Mit 3,6 Millionen Beschäftigten dominiert China weltweit, wohingegen Deutschland mit 334.000 Beschäftigten der europäische Primus ist. Die saubere Industrie schafft neue Arbeitsplätze – das ist eine einfache und messbare Tatsache.
Gustavo Hamú: Einer Analyse der Internationalen Organisation für Erneuerbare Energien, IRENA, zufolge werden die Jobs im grünen Sektor auf 24 Millionen bis 2030 steigen. In der Öl- und Gasindustriehaben dagegen in den letzten zwei Jahren 440.000 Menschen ihren Arbeitsplatz verloren. 40 Prozent hiervon in den USA.
Jouco Bleeker: Ja und nein. Das Gute ist, dass die neuen Vakanzen bei den Erneuerbaren auch von früheren Angestellten in der Öl- und Gasindustrie besetzt werden. Unsere Analysen zeigen, dass viele Kenntnisse und Fähigkeiten übertragbar sind. Da die Öl- und Gasindustrie eine ausgereifte Branche ist und ebenso wie die Industrie im Bereich erneuerbarer Energien sehr kapitalintensiv ist, gibt es außerdem viele Möglichkeiten des Wissenstransfers.
… zum Beispiel?
Jouco Bleeker: Beispielhaft seien hier der Austausch von Best Practices oder Methoden in den Feldern Projektdesign und -Management, Business Modeling, Training, Qualitätsstandards und Qualitätskontrollen genannt.
Gustavo Hamú: Der Wechsel von fossilen zu erneuerbaren Energieträgern kann für Experten schwierig werden, die spezifische Nischen-Kenntnisse und -Fähigkeiten besitzen – beispielsweise in der Produktion oder im Bereich Erdöltechnik. Personal in diesen Funktionsgruppen passen meist nicht auf die Stellenprofile der grünen Energien.
Jouco Bleeker: Kurzfristig wird der aufgeheizte grüne Arbeitsmarkt mit seinem hohen Bedarf an Professionals und gefragtem Know-how die Gehälter nach oben treiben. Tatsächlich betrug das Durchschnittseinkommen in der Solarbranche 2016, laut US Bureau of Labor Statistics, 90.250 US-Dollar, während Kollegen im Bereich fossiler Treibstoffe 77.990 US-Dollar verdienten.
Jouco Bleeker: Definitiv! Langfristig wird es hier zu einem Personalschwund kommen und gleichzeitig wird der Druck auf die Vergütung steigen, um verbliebene Arbeitskräfte zu halten.
Gustavo Hamú: Um die Lücken im Talentbereich zu überbrücken und kostspielige Neurekrutierungen zu vermeiden, wurden Fortbildungsprogramme aufgesetzt. Schottland hat beispielsweise einen 12 Millionen Pfund starken Fonds für Trainingsprogramme in der Öl- und Gasindustrie eingerichtet. Er kommt ebenso für technische Trainings wie auch für die Karriereberatung von Professionals auf, die in den Sektor erneuerbarer Energien wechseln möchten.
Jouco Bleeker: Arbeitskräfte zu gewinnen und zu halten sowie das Training von vorhandenen und hoch spezialisierten Mitarbeitern entwickeln sich immer mehr zu erfolgskritischen Faktoren für die Strategien im Bereich Energie – sowohl in der Öl- und Gasindustrie als auch bei den Erneuerbaren Energien.
Gustavo Hamú: Wir betreiben eine Vielzahl von Vergütungsnetzwerken, unter anderem auch für die Öl- und Gasindustrie sowie angeschlossene Dienstleistungen. In diesen Netzwerken werden Kennzahlen zur Vergütung, zu Richtlinien und allgemeinen HR-Praktiken ausgetauscht und gebenchmarkt.
Jouco Bleeker: Seit über 20 Jahren arbeiten führende Energieunternehmen mit uns zusammen, um miteinander verlässliche Marktinformationen für das C&B-Benchmarking, für die Beratung, für die globale Funktionsbewertung und die Organisationsentwicklung zu erhalten. Um unseren Kunden dabei zu helfen, ihre Strategien im Bereich erneuerbare Energien umzusetzen und somit ihre persönliche Energiewende zu vollziehen, erweitern wir diese bereits langlaufenden Netzwerke der Öl- und Gasindustrie.
Jouco Bleeker: Tatsächlich gibt es gar nicht so viele Unterschiede. Vergütungspraktiken in der fossilen Energieindustrie orientieren sich an spezifischen Rahmenbedingungen, oft in Zusammenhang mit der Produktion in der es unter anderem Zuschüsse für besonders belastende Tätigkeiten sowie die Offshore-Arbeit gibt. Schichtzulagen, auch für Akademiker wie Ingenieure, sind ebenfalls oft Teil der Gesamtvergütung. Dies ist aber auch bei Erneuerbaren Energien der Fall, wenn wir über die Arbeit auf Offshore-Windparks oder in Solarkraftanlagen in der Wüste sprechen.
Gustavo Hamú: Unsere Benchmarks werden immer flexibel designt, sodass diese Unterschiede separat oder zusammen erfasst werden können. Von diesem Marktwissen profitieren somit alle: Arbeitgeber aus der fossilen Energieindustrie, Unternehmen im Bereich Erneuerbare Energien und diejenigen, die in beiden Feldern unterwegs sind.