In einer Zeit, in der neben ökologischen Notwendigkeiten zunehmend auch Fragen sozialer Nachhaltigkeit und nach verantwortungsvollem Handeln bei Unternehmen in den Fokus rücken, stehen auch HR-Abteilungen vor neuen Herausforderungen. Wie vereint man im Bereich Nachhaltigkeit die Rolle des internen Informationslieferanten mit dem Ziel, das Thema zu einer wertschöpfenden Herzensangelegenheit auch bei Mitarbeitern zu machen? Welche HR-relevanten Aspekte umfasst ESG – also der Blick auf Umwelt (Environment), Soziales (Social) und Unternehmensführung (Governance)? Und kann HR über die bloße Einhaltung von Vorschriften hinaus beim Thema ESG einen echten Mehrwert für Mitarbeitende und Organisation schaffen?
hkp.com im Gespräch mit Klaus Konrad, Offering Design Director bei Effectory, den Experten für Mitarbeiter- und Pulsbefragungen mit spezialisierten Angeboten im Themenfeld HR und ESG, und Frank Gierschmann, hkp///group Partner im Beratungsbereich HR Strategy. Gemeinsam veranstalten sie eine Business-Breakfast-Serie zu diesem wichtigen Thema, die am 09. April 2024 in München startet, und hilfreiche Praxistipps aus Unternehmensperspektive bieten wird.
Herr Gierschmann, Herr Konrad, welche aktuellen Herausforderungen gibt es für HR im Kontext der Nachhaltigkeitsdebatten?
Klaus Konrad: Da gibt es viele. Ein besonderer Punkt ist aber sicher die Nachhaltigkeitsberichterstattung. HR-Abteilungen befinden sich oft in einem Spannungsfeld zwischen ihrer Rolle als Zahlenlieferanten und dem Wunsch, Nachhaltigkeit als wertschöpfendes Thema voranzubringen, also nachhaltig zu handeln und nachhaltiges Handeln zu fördern.
Frank Gierschmann: Im Moment bereiten sich fast alle größeren Organisationen darauf vor, die verpflichtende Berichterstattung nach dem neuen ESRS Standard zu erfüllen. Das ist für viele HR-Organisationen eine Herausforderung. Sie kommen in Rückenlage und fokussieren auf die Generierung der Daten rund um Themen wie Schulungsaufwände, Diversity-Quoten und Gender Pay-Gap. Da kommt das proaktive Vorangehen, das Ziehen wichtiger strategischer Linien und eine darauf basierende Umsetzung von Maßnahmen oft noch zu kurz.
Business Breakfast: From compliance to business impact – ESG im HR Management
- Teil 1, München: 09. April 2024, 08.30 - 11.15 Uhr
- Teil 2, Frankfurt a.M.: 16. Mai 2024, 08.30 - 11.15 Uhr
- Teil 3, Amsterdam: 07. Juni 2024, 08.30 - 11.15 Uhr
Daten wie die Genannten sind sicher zentral beim Blick auf das Human Capital Management. Abgesehen von Gesetzgebung und Regulatorik fordern ja auch immer mehr institutionelle Investoren Informationen dazu. Was ist hier das bisherige Feedback?
Frank Gierschmann: Hier sind die Aussagen der maßgeblichen institutionellen Investoren sehr klar: Die ESG-Berichterstattung ist nicht ausreichend. Gefragt wird danach, wie die Personalfunktion Risiken im Bereich der Mitarbeiter (z.B. in der Lieferkette, Gesundheit der Mitarbeiter) steuert und welchen aktiven Beitrag HR zur Unternehmensentwicklung leistet. Darüber Auskunft zu geben, aber auch das in der Praxis in konkrete Maßnahmen umzusetzen, ist für Personal eine neue Aufgabe.
Klaus Konrad: Beim Blick auf das S, die sozialen Themen, kommt zudem noch das Problem der Messbarkeit hinzu. Diese ist bei einem Großteil sozialer Ziele nicht ohne weiteres möglich – Angaben dazu unterliegen subjektivem Empfinden und kultureller Varianz. Das erschwert die Messbarkeit und ein Testat. Insgesamt ist das Thema von hoher Unsicherheit geprägt, weshalb oft eher abgewartet wird, statt diese wichtigen Themen aktiv und strategisch anzugehen.
Gibt es eine empfohlene Vorgehensweise, mit der HR die Nachhaltigkeitsbestrebungen des eigenen Unternehmens unterstützen kann?
Frank Gierschmann: Ganz allgemein gesagt geht es darum, dass Unternehmen die Wesentlichkeit der Personalarbeit erkennen und diese herausstellen. Auch das wird ja von der Regulierung im Rahmen der künftigen ESG-Berichterstattung erwartet. Die meisten großen Konzerne erkennen beispielsweise die Relevanz des Mitarbeiterengagements für die Bindung und auch die Gewinnung von Mitarbeitern. Sie setzen hier gezielt an und stellen dies professionell nach innen und nach außen dar.
Klaus Konrad: In bereits erfolgreichen ESG-Konzepten sehen wir vor allem, dass eine starke Kommunikationskultur in Unternehmen eine absolute Grundvoraussetzung ist. Und hierzu gehört insbesondere auch, die Mitarbeitenden mitzunehmen und einzubinden. Das Thema Nachhaltigkeit lässt niemanden kalt. Viele Menschen, viele Beschäftigte wollen sich für eine lebenswerte Zukunft engagieren und nicht irgendwo arbeiten, wo Nachhaltigkeit keine Rolle spielt. Insofern können Unternehmen, die die ESG-Herausforderungen proaktiv angehen, viel für die Motivation, das Engagement und die Bindung von Mitarbeitenden tun.
Wie kann das konkret aussehen?
Klaus Konrad: Wir haben hierfür beispielsweise eine Nachhaltigkeitsskala zur Messung des wahrgenommenen Nachhaltigkeitsengagements eines Unternehmens unter den Mitarbeitenden entwickelt. So lässt sich anhand einer Befragung nachvollziehen, welches Nachhaltigkeitsengagement auch bei den Mitarbeitenden ankommt – und diese motiviert.
Frank Gierschmann: Der Einfluss von Nachhaltigkeit auf Mitarbeiter-Engagement und Employer Branding ist auch ein wichtiger Aspekt unserer Event-Serie. Es wird um die Wahrnehmung der Mitarbeiter in Bezug auf ESG gehen, welche Relevanz diese hat und wie der Blick der Mitarbeiter auf die nachhaltige Ausrichtung der eigenen Organisation auf die Unternehmensperformance wirkt.
Ist es am Ende auch diese Konkretheit, die das Thema erfahren muss, um in der Breite Aufnahme in den Unternehmen zu finden – dass ESG nicht nur reaktiv, sondern proaktiv behandelt wird?
Klaus Konrad: So ist es. ESG-Engagement wirkt – nach innen und außen. So mühsam die Debatten um das Reporting sind, so wertvoll sind die konkreten Maßnahmen.
Frank Gierschmann: Wir beobachten definitiv einige Personalleiter, welche die Chance aktiv aufgreifen und verstehen, wie sich die Rolle von Personal durch ESG erweitert und was für eine große Chance darin liegt – gerade auch in der wahrgenommenen Wertigkeit der HR-Funktion im Unternehmen. In der Veranstaltung werden wir konkrete Beispiele hierzu liefern und diese diskutieren.
Herr Gierschmann, Herr Konrad, vielen Dank für das Gespräch!