- Die durchschnittliche Gesamtvergütung der Aufsichtsratsvorsitzenden im DAX steigt 2018 um rund 4 % auf 424.000 Euro
- Parallel gesunkener Konzernjahresüberschuss verdeutlicht Entkopplung der Vergütung von Unternehmenserfolg und Aktionärsinteressen
hkp/// group Analyse „Geschäftsberichtsauswertung Aufsichtsratsvergütung DAX 2018“
Frankfurt am Main, 29. April 2019. Laut einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung hkp/// group ist die durchschnittliche Vergütung der Aufsichtsratsvorsitzenden in den führenden börsennotierten Unternehmen Deutschlands (DAX-Unternehmen) im Geschäftsjahr 2018 um 3,9 % auf 424.000 Euro gestiegen. Damit haben sich seit 2006 die Bezüge der Chef-Aufseher der DAX-Unternehmen um rund 4,3 % pro Jahr erhöht, liegen aber weiterhin deutlich unter den Vergütungsniveaus der Vorstandsvorsitzenden in den gleichen Unternehmen. Der Vergütungsunterschied beträgt rund das Fünfzehnfache.
Mit rund 858.000 Euro besetzt der Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bank wie in den Geschäftsjahren zuvor die Spitze der Vergütungsrangliste der ganzjährig im Amt tätigen DAX-Kontrolleure. Am Ende der Rangreihe findet sich der Aufsichtsratsvorsitzende von Beiersdorf mit 228.000 Euro.
Angesichts der von den Unternehmen fortgesetzten Umstellung der Aufsichtsratsvergütung auf reine Fixbezüge haben sich die Vergütungen von der Geschäftsentwicklung entkoppelt. So wird der aktuelle Vergütungsanstieg durch sinkende Unternehmensgewinne kontrastiert: Der durchschnittliche Konzernjahresüberschuss der DAX-Unternehmen ist in 2018 um 3 % gesunken. Mit BMW, Continental, Deutsche Bank, Fresenius und Fresenius Medical Care setzen nur noch fünf Unternehmen auf eine Kombination von fixer und langfristig variabler Vergütung für ihre Aufsichtsräte. Eine kurzfristig variable Vergütung auf Basis des Geschäftsergebnisses eines Jahres findet sich in keinem DAX-Unternehmen mehr. Vorschriften zum Erwerb und langfristigen Halten eines signifikanten Anteils an Aktien des eigenen Unternehmens finden sich nur bei BASF, Bayer, Daimler und RWE.
Die Analyse „Geschäftsberichtsauswertung Aufsichtsratsvergütung DAX 2018“ stützt sich auf die Geschäftsberichte und Satzungen von 29 der 30 DAX-Unternehmen, da die entsprechenden Dokumente von Linde plc für das zurückliegende Geschäftsjahr noch nicht veröffentlicht sind.
Aus Sicht der Studienautoren zeigt das aktuelle Gesamtbild der Aufsichtsratsvergütung in den DAX-Unternehmen wenig Überraschungen. „Wie sehen zunehmend Vergütungshöhen, die – wenngleich langsam – auch bei den kleineren DAX-Vertretern angemessenere Niveaus erreichen“, erklärt hkp/// group Partnerin Regine Siepmann. Sie blickt jedoch kritisch auf den manifestierten Trend zur ausschließlichen Fixvergütung, die aus Sicht der hkp/// group nicht die Aufgabenfülle aus Kontrolle und Strategiebegleitung abbildet. „Wenn schon eine reine Fixvergütung gezahlt wird, dann sollte diese zwingend durch eine Aktienkaufverpflichtung ergänzt werden. Der Aufsichtsrat als Vertreter der Aktionäre braucht mehr Skin in the Game“, fordert die Corporate Governance Expertin.
Keine Augenhöhe: Vergütungsniveau weiter deutlich unter dem des Vorstands
Mit dem aktuellen Durchschnittswert für die Vergütung eines Aufsichtsratsvorsitzenden in DAX-Unternehmen in Höhe von 424.000 Euro wird zum zweiten Mal in Folge die Marke von 400.000 Euro übertroffen (2017: 408.000 Euro). Er stellt den Höchstwert in dem seit 2006 möglichen Vergütungsvergleich dar.
Dagegen belaufen sich die Vergütungen der Vorstandsvorsitzenden in DAX-Unternehmen in 2018 auf einen Durchschnittswert von rund 6,4 Mio. Euro (DCGK-Zufluss ohne bAV und Nebenleistungen). Damit liegt die Relation zwischen den durchschnittlichen Bezügen von Aufsichtsratsvorsitzenden und Vorstandsvorsitzenden bei dem Faktor 15,2. Besonders deutlich wird der Vergütungsabstand am Beispiel Beiersdorf: Hier erhielt der mittlerweile ausgeschiedene CEO im Geschäftsjahr 2018 eine Vergütung von 23,4 Mio. Euro (DCGK-Zufluss ohne bAV und Nebenleistungen) und belegt damit die Spitze der Vergütungsrangreihe im DAX. Die Bezüge des Aufsichtsratsvorsitzenden belaufen sich im gleichen Zeitraum auf 228.000 Euro und stellen den geringsten Wert im DAX-Vergleich dar.
Dieser immense Unterschied in der Vergütungshöhe ist aus Sicht der Studienautoren nicht gerechtfertigt. „Ein Aufsichtsratsvorsitz ist heute mehr denn je auch mit Strategiebegleitung und intensivem Sparring für den Vorstand verbunden. Keine nennenswerte Investition oder sonstige Entscheidung von größerem Ausmaß kann heute ohne Einbindung des Aufsichtsratsvorsitzenden getätigt werden. Die Vergütung für das Amt sollte daher so ausgelegt sein, um sich auf Augenhöhe begegnen zu können. Davon sind wir aber weit entfernt“, bilanziert hkp/// group Senior Managerin Nina Grochowitzki.
Die Vergütungsrangreihe der ganzjährig im Amt tätigen DAX-Aufsichtsratsvorsitzenden wird im vierten Jahr in Folge durch die Deutsche Bank angeführt. Auf den Plätzen zwei und drei folgen wie im Vorjahr BMW und Fresenius. Die Spreizung zwischen der höchsten und geringsten Vergütung eines DAX-Aufsichtsratsvorsitzenden bleibt mit einem Faktor von 3,8 nahezu unverändert.
Top-Vergütungen Aufsichtsratsvorsitzende DAX |
Gesamtvergütung |
Deutsche Bank |
858.333 Euro (+7 %) |
BMW |
640.000 Euro (+/-0 %) |
Fresenius |
640.000 Euro (+1 %) |
Geringste Vergütungen Aufsichtsratsvorsitzende DAX |
Gesamtvergütung |
Merck |
237.000 Euro (+/-0 %) |
HeidelbergCement |
232.000 Euro (+/-0 %) |
Beiersdorf |
228.000 Euro (+2 %) |
Abb.: Die höchsten und geringsten Vergütungen der ganzjährig tätigen Aufsichtsratsvorsitzenden im DAX für das Geschäftsjahr 2018 (Werte in Klammern: Veränderung zum Vorjahr)
Kaum Veränderungen im europäischen Vergleich: DAX-Werte unter Durchschnittsniveau
Die Vergütungsniveaus für die DAX-Aufsichtsratsvorsitzenden liegen unterhalb des europäischen Durchschnitts (STOXX-Unternehmen). Dieser beträgt nach aktuellem Stand des Ausweises – 51 von 71 Unternehmen aus den Indices STOXX Europe 50 und Euro STOXX 50 – rund 913.000 Euro. Traditionell bilden im europäischen Maßstab die Verwaltungsratspräsidenten von Unternehmen aus der Schweiz die Vergütungsspitze, so auch im Geschäftsjahr 2018: Die Rangreihe wird hier von UBS (4,9 Mio. Euro) angeführt, gefolgt von Roche (3,9 Mio. Euro) und Nestlé (3,5 Mio. Euro) – allerdings gilt die Funktion des Verwaltungsratspräsidenten im Unterschied zu einem Aufsichtsratsvorsitzenden in Deutschland als Vollzeitamt.
Der Aufsichtsratsvorsitzende des ersten Nicht-Schweizer Unternehmens folgt mit HSBC (1,7 Mio. Euro) auf Rang 5. Der DAX-Spitzenwert Deutsche Bank (858.333 Euro) belegt im Vergleich mit den STOXX-Unternehmen Platz 10 und liegt damit noch unter dem europäischen Durchschnittswert.
Ausblick: Gesetzliche Neuregelungen als Anstoß für Anpassungen der Vergütungssysteme
Aus Sicht der Studienautoren wird sich die europäische Aktionärsrechterichtlinie – in Deutschland umgesetzt durch das sogenannte ARUG II – nicht nur auf Aufgabenumfang und Verantwortungsintensität der Aufsichtsratstätigkeit auswirken, sondern auch auf die Vergütung der Kontrollfunktion. So müssen sich ab 2020 die Hauptversammlungen börsennotierter Unternehmen jährlich mit dem Thema Vergütung auseinandersetzen. Und spätestens im Rahmen des mindestens alle vier Jahre abzustimmenden Vergütungssystems wird auch die Aufsichtsratsvergütung zum Thema.
„Bislang haben sich Aufsichtsräte sehr zurückgehalten, ihre Vergütungen häufiger auf den Prüfstand zu stellen. Jetzt werden sie gesetzlich dazu verpflichtet“, erläutert hkp/// group Partnerin Regine Siepmann. „Allein dadurch werden wir wohl häufigere Anpassungen in der Aufsichtsratsvergütung sehen“. Die Corporate Governance Expertin geht davon aus, dass sich durch die gesetzlichen Neuregelungen insbesondere bei Unternehmen außerhalb des eher exponierten DAX-Umfelds angemessenere Höhen und Systeme in der Aufsichtsratsvergütung etablieren werden.
Kontakt Thomas Müller, Mobil: +49 176 100 88 237, E-Mail: thomas.mueller@hkp.com