• Zustimmungsquoten und Baustellen basierend auf den Say-on-Pay-Ergebnissen der führenden börsennotierten Unternehmen Österreichs in den Hauptversammlungen 2020
  • hkp/// group Analyse Geschäftsberichtsauswertung und Vergütungspolitik ATX 2019/2020

Frankfurt am Main, 04. November 2020. Gesetzliche und regulatorische Neuregelungen haben die börsennotierten Unternehmen Österreichs gezwungen, Gestaltung und Ausweis ihrer Vorstandsvergütungspolitiken zu überprüfen und diese in der Hauptversammlungssaison 2020 im Rahmen eines sogenannten Say-on-Pay zur Abstimmung zu stellen. Nach Durchführung der deutlichen Mehrzahl dieser Aktionärsabstimmungen zeigt sich trotz Verbesserungen ein weiter heterogenes Bild.

So erfüllt das Gros der ATX-Unternehmen grundsätzlich die Erwartungen der Investoren, die bereits eine Zustimmungsquote von unter 75 % als kritisch einstufen. Unter dieser Marke oder ganz knapp dran, liegen sechs Unternehmen, die somit aufgefordert sind, nachzubessern. Bei den börsennotierten Unternehmen der zweiten Reihe haben fünf Unternehmen mit einer Zustimmung von unter 75% an den Anforderungen der Investoren vorbeigezielt. Zwei Unternehmen verfehlen sogar die gesetzliche Vorgabe einer einfachen Mehrheit. Die Hauptkritik betrifft in der Breite vor allem das Fehlen bzw. die lückenhafte Ausgestaltung einer variablen Langfristvergütung, nicht vorhandene Clawback -Regelungen, freihändige Eingriffsmöglichkeiten durch den Aufsichtsrat sowie den mangelhaften Ausweis von Leistungskriterien der variablen Vorstandsvergütung.

Zu diesem Fazit kommt die jetzt vorgelegte aktuelle Analyse Geschäftsberichtsauswertung und Vergütungspolitik ATX 2019/2020 der Unternehmensberatung hkp/// group. In die Analyse eingeflossen sind die zum Stand der Erhebung durchgeführten Hauptversammlungen von 19 ATX-Unternehmen (ohne Erste Group) sowie 35 sonstige an der Wiener Börse notierte Unternehmen.

„Die Hauptversammlungen 2020 zeigen: Ab sofort müssen börsennotierte Unternehmen in Österreich sich mit den Usancen des internationalen Kapitalmarkts und dessen Anforderungen an Vorstandsvergütung herumschlagen“, erklärt hkp/// group Managing Partner Michael H. Kramarsch. Er attestiert den ATX-Unternehmen, auf dem richtigen Weg zu sein, wenngleich die Defizite der Vergangenheit noch nicht gänzlich beseitigt seien und Nachbesserungen zügig in Angriff genommen werden sollten. „Institutionelle Investoren setzen auf professionelle Standards und reagieren sensibel auf in der Vergangenheit vielfach anzutreffende diskretionäre Entscheidungen und ungenügende Transparenz. Das werden insbesondere jene Unternehmen schmerzhaft spüren, die bislang noch nicht im Fokus der Öffentlichkeit standen“, so der Corporate Governance-Experte.

Die wichtigsten quantitativen Ergebnisse

  • 15 der in der Analyse berücksichtigten ATX-Unternehmen erzielen bei der nach den neuen gesetzlichen und regulatorischen Vorgaben ausgerichteten Vergütungspolitik eine Zustimmung von über 75%. Diese Marke gilt bei Investoren als Schwellenwert, ab dem Nachbesserungen an den Unternehmensdarstellungen vorzunehmen sind. Dabei rechnen viele Investoren die Stimmanteile der Ankeraktionäre heraus.
  • Die höchste Zustimmungsquote von Investoren für das Vergütungssystem verzeichnete im ATX die Österreichische Post mit 99,95 %. Auf ähnlichem Niveau bewegen sich Uniqua, Verbund, Raiffeisen Bank, Telekom Austria, AT&S sowie OMV (alle über 99 %).
  • Mit Andritz, DO&CO, Schoeller-Bleckmann und Wienerberger haben vier ATX-Unternehmen eine Zustimmungsquote von unter 75% zu verzeichnen. Schlusslicht ist Andritz mit 67,89 %.
  • Eine Zustimmungsquote von unter 50% weisen mit Addiko Bank und ams zwei Unternehmen aus.

Defizite in den Vergütungspolitiken

  • Vergütungsdesign: Mit Blick auf das Vergütungsdesign haben Investoren in der aktuellen Hauptversammlungssaison zumeist das Fehlen einer langfristigen variablen Vergütung bzw. zu kurze oder nicht klar definierte Laufzeiten kritisiert. Auch das Fehlen einer Verpflichtung für den Vorstand, für die Dauer seiner Vertragslaufzeit Aktien des eigenen Unternehmens zu halten, sowie nicht oder nicht wirksam in die Vorstandsvergütung implementierte Malus- und Clawback-Regelungen zählen zu den Hauptkritikpunkten.
  • Diskretionäre Eingriffe sind für viele Investoren grundsätzlich ein rotes Tuch, für andere sind sie in nachvollziehbarem Umfang bei klar definierten und auch so gelebten Maßstäben eine sinnvolle Maßnahme. Die Kritik im Kontext der aktuellen Hauptversammlungssaison richtet sich insbesondere gegen nicht nachvollziehbar gewährte Sonderboni, nach billigem Ermessen erhöhte Vergütungsbestandteile und die rückwirkende Anpassung von Kenngrößen zur Zielerreichung. Auch werden Antritts- und Halteprämien überwiegend kritisch gesehen.
  • Transparenz im Ausweis von Vergütung zählt zu dem dritten wesentlichen Themenkreis, den Investoren schon seit längerem bei ATX-Unternehmen kritisieren. Mit der Umsetzung der zweiten europäischen Aktionärsrechterichtlinie durch das AktRÄG haben sie jetzt den Hebel in der Hand, diese Kritik wirksam anzubringen. Zu den relevanten Punkten zählen insbesondere fehlende Informationen zur Gewichtung von Kennzahlen zur Zielerreichung, zumindest deren nachträgliche Darstellung, die mangelhafte Definition von Zielkriterien sowie eine ungenügende Beschreibung von Vergütungsbestandteilen.

„Die Kritikpunkte von Investoren decken sich mit den in unseren vorangegangenen Studien zur Vorstandsvergütung in ATX-Unternehmen ermittelten Defiziten“, resümiert hkp/// group Studienautorin Jennifer S. Schulz. „Die erstmalige Verpflichtung zur Abstimmung über den Vergütungsbericht in der Hauptversammlungssaison 2021 lässt auf deutlich mehr Transparenz im Ausweis von kurz- und langfristigen variablen Bezügen hoffen, die ein differenziertes Bild des Zusammenhangs von Unternehmensleistung und Vorstandsvergütung, sprich dem Pay for Performance, und eine internationale Einordnung erst ermöglicht“, so die Vergütungsexpertin.

Defizite auf Investoren-Seite

Die im Rahmen der aktuellen hkp/// group Studie ermittelten Zustimmungsquoten und Hauptkritikpunkte hinsichtlich der Vorstandsvergütung, sind Beleg für die Bemühungen der ATX-Unternehmen, die Gestaltung und den Ausweis von Vorstandsvergütung entsprechend den Vorgaben der europäischen Aktionärsrechterichtlinie an internationale Kapitalmarktstandards heranzuführen.

Allerdings sind die Anforderungen der Institutionellen Investoren ebenso vielfältig wie deren Anzahl und oft selbst lückenhaft und wenig handlungsleitend. „Einige Investoren machen ihren Einfluss ohne transparente und handlungsleitende Abstimmungsrichtlinien geltend. Sie können dann Unternehmen nach Belieben auf der Hauptversammlung angreifen – auf Basis des AktRÄG sogar auf gesetzlich legitimierter Basis“, warnt Corporate-Governance-Experte Michael H. Kramarsch. Er rät Unternehmen, sich bei offenen Punkten und Fragen offensiv und frühzeitig mit Investoren in Verbindung zu setzen: „Professionelles Investieren setzt professionelle Agieren auch in Fragen der Vorstandsvergütung voraus. Unternehmen sollten Investoren in ihrer fiduziarischen Verantwortung ansprechen und klare Vorgaben einfordern!“

 

Autor Michael H. Kramarsch

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