Der PPA Summit 2024, organisiert von der Predictive People Analytics (PPA) Initiative der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), dem ifo Institut und hkp///group, stellt die Relevanz von Daten für das Personalmanagement in den Mittelpunkt. Ingrid Hägele, Professorin an der LMU und Mit-Initiatorin der PPA-Veranstaltungsreihe zu evidenzbasiertem HR-Management in Unternehmen, im Gespräch mit Dr. Jean-Victor Alipour, Assistenzprofessor bei ifo Institut und LMU, zu innovativer Forschung, neuen Daten und Einblicken für HR-Verantwortliche.

Herr Alipour, Sie forschen zu HR-Praktiken rund um das Home Office. Welche Rolle spielt die Verfügbarkeit von Daten dabei?

Jean-Victor Alipour: In Zeiten plötzlicher Umbrüche, ist es wichtig den Überblick zu behalten. Unkonventionelle Daten sind da wertvoll, weil sie mit wenig Verzögerung verfügbar sind: Als Home Office wegen Corona schlagartig zum wichtigen Motor zur Sicherstellung zahlreicher Arbeitsprozesse in Unternehmen wurde, wusste noch niemand, ob das nur ein vorübergehendes Lockdown-Phänomen ist. In meinem aktuellen Forschungsprojekt analysieren wir Millionen Online-Stellenanzeigen und identifizieren Jobs mit Home Office-Angeboten. Das Ergebnis: Home Office ist heute keinesfalls auf dem Rückmarsch. Zum Vergleich: Administrative Datenquellen wie etwa der Mikrozensus liefern bislang nur Infos zur entsprechenden Praxis im Jahr 2022.

Welche wesentlichen Veränderungen lassen sich anhand von Daten in der Home-Office-Nutzung während und nach der Pandemie feststellen?
Jean-Victor Alipour: Neben der Analyse von Stellenanzeigen führen wir regelmäßig eine Umfrage unter mehr als 9.000 Unternehmen durch. Beide Datensätze erzählen die gleiche Story: Vor Covid war Home Office ein Randphänomen. Weniger als zehn Prozent der Beschäftigten arbeiteten daheim und nur fünf Prozent aller Stellenanzeigen nannten eine Form von mobiler Arbeit. Während der Krise wurden Home-Office-Quoten von 30 Prozent überschritten. Wenngleich seitdem viele Beschäftigte wieder in Vollzeit ins Büro zurückgekehrt sind, ist Home Office heute fest im Arbeitsalltag verankert: Fast ein Fünftel aller Stellenanzeigen bieten eine Home-Office-Option und jeder vierte Beschäftigte arbeitet regelmäßig von zu Hause.

Wie haben sich Städte durch die Zunahme der Home-Office-Arbeit verändert?
Jean-Victor Alipour: Dauerhaft mehr Home Office bedeutet, dass weniger zum Arbeitsort gependelt wird. Dadurch verlagern sich Konsumausgaben. Wir können diese Transformation des innerstädtischen Raums erstmalig mit Transaktionsdaten von Zahlungskarten nachvollziehen: In ehemaligen Konsum-Hubs wird dauerhaft weniger Geld ausgegeben. Gleichzeitig findet heute mehr Konsum in zentrumsfernen Bezirken statt. Auch sehen wir, dass in Wohngebieten, in denen mehr Leute mit einem Home Office-fähigen Job wohnen, mehr stationärer Konsum stattfindet.

Es hat sich also viel verändert!

Jean-Victor Alipour: In der Tat, immer mehr Städte versuchen deshalb mithilfe teurer Maßnahmen, etwa verkehrsberuhigten Straßen, den urbanen Raum wieder aufzuwerten. Meine Forschung zielt als nächstes darauf ab, die Wirksamkeit solcher Interventionen zu untersuchen.

Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie in diesem Kontext für Unternehmen?

Jean-Victor Alipour: Die Evidenz verdichtet sich, wonach hybride Home-Office-Modelle, also teils Büro, teils daheim, neutrale bis positive Produktivitätseffekte bei steigender Job-Zufriedenheit und sinkenden Kündigungsraten generieren. Hier steckt also viel Potenzial etwas Positives für alle Beteiligten zu bewirken.

Damit werden gut umgesetzte Home-Office-Konzepte zu einer Win-Win Situation für Arbeitgeber und -nehmer.

Jean-Victor Alipour: Aber Home Office ist nicht die Lösung für alles. So zeigt sich: Veralteter Führungsstil, schlechtes Management, oder digitale Inkompetenz können Home Office-Modelle scheitern lassen. Oft werden remote Arbeitende dann zum Sündenbock schlechter Performance. Und das Management fordert wieder eine strenge Office-Präsenz. In der Folge fühlen sich Beschäftigte ungerecht behandelt und die Unzufriedenheit steigt. Daher kann ich nur empfehlen, parallel zu durchdachten Home Office-Konzepten weiter in Führungskompetenzen zu investieren.

Was bedeuten die Erkenntnisse Ihrer Forschung für HR-Verantwortliche?

Jean-Victor Alipour: Es gibt zwar Grundprinzipien bei der Ausgestaltung von Home Office. Trotzdem gibt es kein One-Size-Fits-All. Der optimale Split von Präsenztagen und Home Office-Zeiten hängt etwa sehr stark von der Branche bzw. den Aufgaben der Abteilung oder des Teams ab. Lernen, Kreativität und Soziales funktioniert immer noch besser im persönlichen Kontakt.

Aber solche Aspekte sind nicht überall gleich wichtig?!

Jean-Victor Alipour: Nein, im Gegenteil. Zudem gestaltet sich auch die Nachfrage nach Home Office unter den Beschäftigten extrem heterogen! Wichtig ist daher: Herausfinden wie Präferenzen in Bezug auf Home Office in der Belegschaft sind und welche Aufgaben sinnvoll daheim ausgeführt werden können. Anschließend ist die Koordination von Home-Office-Tagen wichtig, um dediziert gemeinsame Präsenzzeiten zu schaffen. Denn niemand will ins Büro, um dort in Zoom-Calls zu hängen. So bleibt man als Arbeitgeber möglichst attraktiv und wettbewerbsfähig.

Herr Alipour, vielen Dank für das Gespräch!

Prof. Ingrid Hägele und Dr. Victor Alipour sind zwei der zahlreichen Referenten auf dem PPA Summit am 8. Oktober 2024 in München unter dem Titel No Data No Strategy – HR als strategischer Partner in der Konzeption und Umsetzung evidenzbasierter Transformationsprozesse.

Die eintägige Fachkonferenz ist kostenlos. Sie richtet sich an Entscheider und Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft. Eine Anmeldung ist erforderlich.

Details zum Programm sowie das Anmeldeformular zu dem kostenlosen Format von hkp///group, LMU/PPA und ifo Institut finden Sie hier.
Autor Prof. Ingrid Hägele

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