Gute Personalpolitik ist ein zentraler Faktor für den nachhaltigen Erfolg von Unternehmen. Ein mit externer Expertise unterstütztes Angebot der University of Labour vermittelt, wie Aufsichtsrat und Personalführung hierfür strategische Leitplanken setzen können. Ein Gespräch mit Tanja Jacquemin, Dozentin für Betriebswirtschaftslehre und Fachreferentin für Unternehmensmitbestimmung an der University of Labour und dem hkp///group Managing Partner und Corporate Governance Advisor Michael H. Kramarsch.

Frau Jacquemin, was hat Sie bei der University of Labour veranlasst, ein Seminar-Angebot rund um erfolgreiche Personalpolitik ins Leben zu rufen? Haben Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter in Aufsichtsräten hier besonderen Nachholbedarf?

Tanja Jacquemin: Wir alle leben in einer Zeit dynamischer Veränderung. Transformation und stetiger Wandel sind zu einem festen Bestandteil des Geschäftsalltags geworden. Dem kann sich das HR-Management nicht entziehen. Im Gegenteil, Personalarbeit wird immer mehr als eine wesentliche Säule der nachhaltigen strategischen Ausrichtung von Unternehmen anerkannt - das ist richtig und wichtig. Personalführung und Aufsichtsrat - inklusive der Seite der Arbeitnehmervertretung - können hier gemeinsam die strategischen Leitplanken setzen. In unserem Seminar diskutieren wir verschiedene konkrete Ansatzpunkte dafür und wie diese sich in die Gesamtstrategie eingliedern.

Herr Kramarsch: Ist das Thema Personalarbeit im Aufsichtsrat tatsächlich so relevant?

Michael H. Kramarsch: Die Personalfunktion ist eine der wichtigsten Aufgaben des Aufsichtsrats. Dazu gehören die Festsetzung der Vergütung sowie weitere Personalentscheidungen wie Auswahl, Bestellung und Abberufung des Vorstands als auch dessen Nachfolgeplanung. Hinzu kommt die strategische Beratung des Vorstands auch in HR-Management-Fragen wie auch in puncto soziale Nachhaltigkeit auf Basis der aktuellen regulatorischen Anforderungen. Gerade bei börsennotierten Unternehmen geht es hier um die glaubwürdige Beantwortung von HR-spezifischen Fragen seitens der Investoren und Stimmrechtsberater.

Wird die ESG-Regulatorik zum kritischen Punkt in der HR-Kompetenz von Aufsichtsräten?

Tanja Jacquemin: Die Befassung mit diesen Themen ist für den Aufsichtsrat obligatorisch. Zukünftig müssen alle finanzmarktorientierten Unternehmen in der Nachhaltigkeitsberichterstattung neben den ökologischen Kennzahlen auch HR-spezifische Inhalte veröffentlichen. Hier sollten die sich bietenden Chancen zur Gestaltung aktiv genutzt werden, damit nicht nur eine sinnfreie Kennzahlen-Flut produziert wird. Wir halten das für eine großartige Möglichkeit für Aufsichtsräte, strategische Personalthemen prominent zu platzieren.

Michael H. Kramarsch: Mir ist es wichtig, die HR-Thematik aus der Ecke der regulatorischen Pflicht herauszuholen und vielmehr auch auf die damit verbundenen Chancen zu verweisen. Aufsichtsräte wie auch HR-Manager sollten erkennen: Eine HR-Funktion, die auf einer breiten und qualitativ hochwertigen Datenbasis zeitnah geschäftsrelevante Entscheidungen treffen kann, wird als Business Partner ernst genommen. Wer sonst kann so glaubwürdig über Themen wie Fair Pay, Frauenquoten etc. im Unternehmen sprechen? Aufsichtsräte sollten HR-Funktionen ihrer Unternehmen daher genau in dieser Richtung hinterfragen und fordern.

Apropos Glaubwürdigkeit, braucht es operative HR-Erfahrung, um eine ausreichende HR-Kompetenz vorweisen zu können?

Michael H. Kramarsch: Eine entsprechende operative HR- und/oder Führungserfahrung schadet mit Sicherheit nicht. Aber ich warne vor einer Überschätzung, nur weil man in früheren Jahren einmal Arbeitsverträge unterschrieben oder ein Team geführt hat.

Tanja Jacquemin: Aus meiner eigenen Erfahrung in verschiedenen Aufsichtsräten kann ich berichten, dass die meisten Aufsichtsratsmitglieder sich selbst eine hohe HR-Kompetenz zuschreiben. Oft resultiert dies aber nicht aus der praktischen Personalarbeit, sondern eher aus Positionen mit Führungsverantwortung. Ich glaube, dass man diese Erfahrungen nicht gleichsetzen kann mit Kompetenz in strategischer Personalpolitik. Insofern halte ich operative HR-Erfahrung oder zumindest eine gezielte Qualifizierung für die Arbeit an den "richtigen" Stellschrauben für wesentlich.

Mit Blick auf Ihr Seminar Strategien für nachhaltig erfolgreiche Personalpolitik: Wird eine anderthalbtägige Veranstaltung dieser Bedeutung gerecht?

Tanja Jacquemin: Unser Seminar an der University of Labour mit Prof. Dr. Elke Eller,  Michael Witt und Michael H. Kramarsch als Gastreferenten bietet einen guten Startpunkt. Hier setzen wir Impulse durch erfahrene Player in der strategischen Personalarbeit an der Schnittstelle zur Aufsichtsratstätigkeit. Wie bei allen sich ständig weiterentwickelnden Themen sind natürlich auch hier eine regelmäßige Weiterbildung und inhaltlicher Austausch absolut empfehlenswert.

Michael H. Kramarsch: Weiterbildung und Informationsbeschaffung in den relevanten Themenfeldern sollte eine Selbstverständlichkeit für Aufsichtsräte sein. Die Länge eines Formats sagt dabei nicht zwingend etwas über dessen Qualität aus. Je nach Thema und eigenem Qualifikationsstand ist mal eine kurze Druckbetankung, mal ein mehrtägiger Workshop die passende Lösung. Wichtig ist in jedem Fall eine regelmäßige und gezielte Qualifikation.

Wie gestaltet sich das generelle Interesse von Aufsichtsräten an Formaten wie dem Ihrigen?

Tanja Jacquemin: Wir sehen in der Tat einen gesteigerten Bedarf an qualifizierter Aus- und Weiterbildung von Aufsichtsräten im Thema HR-Management und -Strategie. Aber auch andere Themen in der Transformation wie Nachhaltigkeit als übergreifendes Thema, Digitalisierung oder die Steuerung von Risiken werden stärker nachgefragt. Wir als Hochschule, die Beteiligung und Arbeitsbeziehungen im Fokus hat, können unsere praktischen Erfahrungen mit aktuellen Erkenntnissen aus Lehre und Forschung miteinander verbinden. Vor diesem Hintergrund haben wir mit unserer eigenen jahrzehntelangen Erfahrung in Aufsichtsgremien verschiedene Hochschulzertifikate entwickelt, die mit dem Aufsichtsrat-Diploma abschließen. Der Bedarf für eine solche hochwertige Qualifizierung ist definitiv da.

Frau Jacquemin, Herr Kramarsch, vielen Dank für das Gespräch!

 

Hinweis:

Das kostenpflichtige 1,5tägige Seminar Strategien für nachhaltig erfolgreiche Personalpolitik der Academy of Labour ist für aktive wie auch zukünftige Aufsichtsräte konzipiert. Es findet am 6. und 7. November 2024 in Frankfurt am Main statt. Gast-Referenten sind Prof. Dr. Elke Eller, Michael H. Kramarsch und Michael Witt.

Weitere Details und Anmeldung 

Autor Michael H. Kramarsch

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